Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Inneren Rotstift weglegen
Bild: congerdesign/Pixabay

Inneren Rotstift weglegen

Marcus C. Leitschuh
Ein Beitrag von Marcus C. Leitschuh, Katholischer Religionslehrer und Autor, Kassel
Beitrag anhören:

Heute ist wieder Prüfungstag in Hessen. Hauptschülerinnen und Hauptschüler haben die Abschlussprüfungen im Fach Deutsch geschrieben, in Realschulen Englisch. So eine Prüfungswoche ist Stress pur. Alle wissen, dass viel davon abhängt. Es geht immerhin um den Schulabschluss und ein gutes Notenbild bei Bewerbungen.

Punkt für Punkt, für Punkt

Es ist gut, Gelerntes unter Beweis zu stellen. In diesem Sinne lese ich als Lehrer die Prüfungsergebnisse auch nicht mit dem Rotstift in der Hand und gehe auf Fehlersuche. Ich gehe auf Punktsuche. Ich suche das, was richtig ist. Mit jeder richtigen Antwort freue ich mich, weil sie den Prüfling einen guten Schritt näher zum Ziel führt. Jeder kleinste neue Punkt bringt eine Verbesserung der Note. Ich freue mich, wenn dann so nach und nach zum Beispiel die nächsthöhere Note erreicht wird.

Stärken finden, nicht Fehler

Wie wäre das, wenn ich auch im echten Leben Menschen nicht mit dem Suchen nach Fehlern, sondern Finden von Stärken begegnen würde? Was, wenn nicht Defizite meine Blicke finden, sondern Stärken? Ich gestehe, das fällt oft schwer. Gerade wir Lehrer sind trainiert auf das Finden und Markieren von Fehlern. Doch es lohnt sich nicht immer, den „inneren Rotstift“ zu nutzen. Die Welt wird nicht durch das Markieren von Falschem besser. Sie wird menschlicher, gerechter und besser, wenn die Menschen ihre Stärken für das Gute nutzen und darin bestärkt werden.

Ich hoffe, dass Schülerinnen und Schüler durch Prüfungen auch erfahren: Der Wert jedes Menschen ist nicht von Noten abhängig, sondern davon, was wir aus unseren Fähigkeiten machen. Die drei großen Weltreligionen eint das Gottes- und Menschenbild, bei dem Gott auf die Menschen mit Liebe und Zuspruch, mit Segen und Gnade schaut. Weil wir einmalig sind; weil wir Gottes Ebenbilder und damit seine tatkräftigen Gestalter auf der Erde sind. Wir sind gut. Wir sind geliebt. Ganz egal, wie gut wir Kurven berechnen oder das Plusquamperfekt bilden können.

 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren