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Gewaltfreiheit?
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Gewaltfreiheit?

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Als Jugendliche habe ich heiße Diskussionen mit meinem Vater geführt: Ich war klar dafür, dass alle Waffen vernichtet werden müssten. „Unsere Gegenspieler fühlen sich durch unsere Waffen bedroht und legen sich auch welche zu“, habe ich gesagt. Er hat nur geantwortet: „Und dann stehen irgendwann die Russen vor unserer Tür.“ Meine Haltung war damals natürlich nicht nur meine. Sie hat meine ganze Generation geprägt. Dazu gehört auch die Vorstellung davon, wie wir miteinander umgehen sollten. Und natürlich mit unseren Kindern: ohne Gewalt nämlich.

Motto: „Nicht weinen, zurückschlagen?“

Heute sehe ich: Die Russen unter Putin würden sich tatsächlich freuen, wenn die Ukraine keine Waffen hätte. Ich glaube, sie würden sagen: Die Ukraine ist schwach. Wie gut! Da können wir ohne Probleme einmarschieren.

Aber was heißt das nun für mich? Sollen wir also die Kehrtwende einläuten? So wie Deutschland aufrüstet auch unsere Kinder körperlich stark machen? Boxsäcke kaufen? Als neues Motto ausgeben: „Nicht weinen, zurückschlagen“?

Ich erinnere mich an eine Geschichte aus meiner Kindheit

Ich erinnere mich da an eine Geschichte aus meiner Kindheit: Ich war vielleicht drei oder vier und sehr sauer: ein Junge aus dem Kindergarten hatte sich mein Lieblingskuscheltier genommen. Ganz freundlich habe ich ihn gefragt: Gibst du es mir bitte? Er hat nein gesagt. Irgendwann hab es mir einfach genommen. Ein Schubser hat genügt. Und er ist in die Ecke geflogen, hat sich am Kopf weh getan und sehr geweint. Ich war riesig erschrocken über das, was ich da angerichtet hatte. Meine Kraft war mir gar nicht bewusst gewesen. Und das Stofftier? Ich hab es ihm zum Trost gegeben. Ich hatte das deutliche Gefühl: es hatte sich nicht gelohnt, dafür so viel Schmerz auszulösen.

Festhalten an der Überzeugung: so wenig Gewalt wie möglich!

Und das denke ich bis heute. Ja, wenn ich nicht zurückschlage, verliere ich unter Umständen etwas. Aber ich verletze niemanden. Und ich behalte meinen Seelenfrieden. Das ist viel wert. Natürlich lässt sich das nicht einfach auf Krieg und Frieden heute übertragen, zum Beispiel in der Ukraine. Aber ich will trotz allem an der Überzeugung festhalten: so wenig Gewalt wie möglich!

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