
Unvollständig
Vor kurzem habe ich mit meiner Frau einen Kurzurlaub gemacht. Wir waren in Bad Kissingen – eine tolle Stadt. Wir hatten ein schönes Hotel und wunderbares Wetter. Unsere Auszeit haben wir mit vielen Wanderungen und Spaziergängen genossen. Bei einem Spaziergang haben wir drei Spiegel gesehen. Sie standen nebeneinander am Rand des Weges und waren ungefähr 1 Meter auf 2 Meter groß.
Die Hälfte von mir hat gefehlt
Ein Spiegel hat mich besonders fasziniert. Über dem Spiegel stand das Wort „Unvollständig“. Darunter war der Spiegel. Er bestand aus lauter schmalen Streifen. Zwischen diesen Streifen hat man das Holz der Rückwand gesehen. Ich musste zweimal hinschauen. Mein Kopf hat mir erst das vollständige Spiegelbild von mir vorgespielt, aber es war gar nicht da. Mich gab es nur in Streifen. Bei längerem Hinschauen wurde mir immer mehr bewusst: Die Hälfte von mir hat gefehlt. Ich war sozusagen unvollständig.
Seitdem frage ich mich: Was fehlt mir?
Dieses Bild hat mich auf dem Rest des Spaziergangs und in den folgenden Tagen begleitet. Ich habe mich oft gefragt: Was fehlt mir? In diesen wunderbaren Urlaubstagen eigentlich nichts: Ich hatte mit meiner Frau eine tolle Zeit mit allem, was ich mir wünsche und noch mehr. Aber die Frage ist mir geblieben: Was fehlt mir in meinem Leben und auch in meinem Glauben?
In der Karwoche blicke ich auf die Unvollständigkeit meines Lebens
Jetzt, in der Karwoche, taucht dieses Bild wieder in mir auf. Für Christinnen und Christen geht es in diesen Tagen um das Leiden und Sterben Jesu Christi. Dann kommt Ostern, das wichtigste Fest der Christen. Ich spüre für mich die Chance, diese Woche wieder einmal bewusst zu erleben. Ich möchte nach der Bedeutung von Jesus in meinem Leben schauen: Wo ist er mir nahe? Wo fehlt er mir? Da ist aber auch Platz für all die Trauer, die ich in der letzten Zeit erlebt habe, die Abschiede, die Versäumnisse. Da ist Platz für das tägliche Leid, das ich in den Nachrichten sehe und auf das ich keine Antwort finde. In der Karwoche ist Platz für die Unvollständigkeit meines Lebens.