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Im Zweifel für die Hoffnung
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Im Zweifel für die Hoffnung

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Nicht schon wieder, denke ich. Aber er kommt. Geht im Straßencafé von Tisch zu Tisch und bettelt. Freundlich, aber erfolglos. Dann ist er bei mir. Und sagt seinen Satz: Hätten Sie fünfzig Cent für mich? Ich sage: Moment, ich schaue nach. Während ich in der Hosentasche suche, sagt er: Der Monat ist noch lang; meine Freundin und ich sind pleite.

Ich kenne die Geschichten

Ich gebe ihm zwei Euro. Er bedankt sich, wünscht mir alles Gute. Und ich denke: Ja, diese Geschichten … Der eine hat dies, dem andern fehlt das. Und zuletzt geht es um Tabak oder Alkohol. Ich weiß das. Kenne die Geschichten. Und die Lügen auch, die man sich ausdenkt. Oder doch nicht? Es kann ja stimmen, was er sagt. Er kann wirklich pleite sein. Vielleicht hat er Pech gehabt oder machte eine Anschaffung, die zu teuer war. Plötzlich ist das Geld alle.

Oder ist es doch wahr

Kann doch sein. Was ich bezweifle, kann ja auch wahr sein. So ist das mit dem Glauben. Es kann so oder so sein. Ich kann zweifeln oder hoffen. Sogar beides im gleichen Moment. Wer sagt mir, dass er lügt? Wer sagt, dass seine Geschichte wahr ist?

Im Zweifel für die Hoffnung

Das kann nur ich entscheiden.  Im Zweifel für die Hoffnung. So mache ich das manchmal. Soll er froh werden mit den zwei Euro. Ich glaube ihm. Und hoffe, dass er mich nicht belügt. Mehr kann ich nicht tun. Doch, eins noch: Immer etwas mehr hoffen als zweifeln. Das kann ich versuchen, mit Gottes Hilfe. Denn was ich bezweifle, kann ja auch wahr sein.  

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