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Im Dunkeln wachsen
Bild: Kotenko_GettyImages

Im Dunkeln wachsen

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Neulich habe ich bei einem Kurs über kreatives Schreiben für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer eine Walnuss mitgebracht. Dann habe ich gesagt: „Sie werden jetzt etwas sehen, was noch nie jemand vor Ihnen gesehen hat!“ Tja, und dafür haben wir dann die Nüsse geöffnet. Nach einem Moment des Zögerns und Nachdenkens ist tatsächlich ein Augenblick der Andacht entstanden: Ja, wir wissen alle, wie Walnüsse aussehen. Aber jede Einzelne ist bisher im Dunkeln gewachsen. Es ist das erste Mal, dass genau diese Nuss Licht sieht. Und gesehen wird.

Eine lange Winternacht ist wie eine kuschlige Decke

Bisher hat diese Nuss ihre Zeit in der dunklen Schale verbracht. Das war wichtig, sonst hätte sie nicht heranreifen können. Wenn sie noch länger im Boden geblieben wäre, hätte sie dort sogar Wurzeln gebildet. Warum ich das hier erzähle? Ich wollte ein wenig für die Dunkelheit werben. Ich gehöre nämlich zu den Menschen, die das Dunkel des Winters lieben. So wie die Walnuss in ihrer schützenden Schale in Ruhe wächst, so empfinde ich eine lange Winternacht wie eine kuschelige Decke. Ich ziehe sie mir über den Kopf und lasse die Welt draußen. Hier brüte ich Dinge aus, plane, spinne in Gedanken Ideen.

Im Frühjahr kommen meine Pläne dann raus ans Licht

Im Frühjahr, wenn ich dann raus muss ans Licht, dann werden alle meine Pläne und Ideen zeigen müssen, was in ihnen steckt. Einige von ihnen werden verpuffen. Andere sind schon gut verwurzelt und wachsen auch im Licht weiter. Und ich bin sicher: Hätte ich gleich alles ans Licht gezerrt, wäre vieles gar nicht so weit gediehen.

Selbst Jesus hat zuerst im Verborgenen gelebt

Ich denke mir: Ja, am Ende muss alles ans Licht, aber selbst Jesus hat den größten Teil seines Lebens praktisch unerkannt im Verborgenen gelebt und gewirkt, bis er mit 33 Jahren sich selbst und seine wahre Natur gezeigt hat. Er hat gewartet, bis die Zeit und er selbst reif waren dafür. Und es kann nicht schaden, es ihm gleich zu tun.

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