
Mit Bäumen reden?
Mit Bäumen reden. Was für eine verrückte Idee, dachte ich immer. Bis ich bei einer Fortbildung gelernt habe: So abwegig ist das gar nicht. Zwei Tage tauchen wir ein in die Natur, nehmen uns Zeit genau hinzuschauen, zu hören, wahrzunehmen. Wie mit einer Lupe. Ich sehe den winzigen Wasserlauf in der Wiese und wie lebendig ein toter Baum ist.
Mit Bäumen reden, das klingt verrückt, weil wir uns natürlich nicht mit Worten verständigen. Aber wir kommunizieren ja auch sonst ohne Worte, da verfügen wir über ein großes Repertoire – mit den Augen rollen, die Arme verschränken oder sie für andere offen ausbreiten. Forscher haben herausgefunden, dass Bäume über ihre Wurzeln miteinander kommunizieren. In einem unterirdischen Netz tauschen sie Informationen aus. Sie senden Signale an ihre Nachbarn, wenn ihnen Wasser fehlt. Mit Duftstoffen warnen sie sich gegenseitig vor Insekten.
Die Natur kommuniziert
Mit mir kommunizieren Bäume anders. Was mir die Natur zu sagen hat, liegt auf einer anderen Ebene. Uralte Eichen lassen mich ahnen, wie klein der Zeitslot meines Lebens in der Geschichte ist. Gleichzeitig verbindet mich der Wald mit dem Zeitstrom, der mich überdauert. Die Rosen am Wegrand wecken meinen Sinn für Schönheit, ihr Duft entführt mich für Augenblicke in eine andere Welt. Von den Rosen habe ich außerdem gelernt, dass sich nicht jedes Gewächs verpflanzen lässt, wie bei uns Menschen.
Manche Menschen haben spirituelle Erlebnisse in der Natur. Sie spüren eine Verbindung mit etwas, das größer ist als sie selbst, mit dem Kosmos, mit dem Leben, mit Gott.
In allen Geschöpfen lebt Gott unter uns
Die Bibel hat Bilder dafür, wie die Natur mit uns spricht (Psalm 19,2-4, Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 2006):
„Die Himmel erzählen von der Schönheit Gottes. Vom Tun seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sprudelt dem anderen Tag Worte zu, eine Nacht gibt der anderen Nacht Wissen weiter.
Es ist keine Rede, es sind keine Worte – aber unhörbar ist ihre Stimme. In die ganze Welt ist ihre Stimme ausgezogen, bis ans Ende der Erde ihr Gespräch.“
Himmel und Erde und alles, was darauf lebt und wächst, erzählen von der Schönheit und von der Kraft, in der Gott unter uns lebt. Das gibt allen Geschöpfen eine Würde. Sie gehören dazu – zu dieser Geschichte Gottes mit uns Menschen – Buchen genauso wie Brennnesseln, die Pusteblume ebenso wie die Linde, die seit Jahrhunderten auf dem Dorfplatz steht.
Übrigens: die Dorflinde – mit ihr haben ganz bestimmt viele Menschen geredet. Was für eine Antwort sie wohl bekamen?