
Der unbequeme Prophet
Mit der Kirche und der Politik ist das ja so eine Sache. Den einen ist die Kirche zu leisetreterisch, für andere mischt sie sich zu sehr ins politische Tagesgeschäft ein. Dieser Spannungsbogen ist nicht neu.
Gottes Liebe ist bei den Benachteiligten und Schwachen in der Gesellschaft
In der Bibel gibt es den Propheten Jeremia. Propheten sagen den Menschen, was Gott will. Jeremia macht seinen Job gut - und gibt deutliche Ansagen zur Lage der Nation: ungerechtes Wirtschaften, Korruption und Vetternwirtschaft im Königshaus, das missfällt Gott. Mit dem Mäntelchen der offiziellen Religion werden diese Machenschaften gedeckt. Auch katastrophal. Der Prophet prangert im Namen Gottes die Verlogenheit und Friede-Freude-Eierkuchen-Ideologie an. Und fügt hinzu: Gottes Liebe ist bei den Benachteiligten und Schwachen in der Gesellschaft.
Der Prophet Jeremia wir für seine offene Kritik eingesperrt
Für diese scheinbar parteilichen Reden, weil er konkret Unrecht benannt hat, wurde Jeremia von den Regierenden seiner Zeit Spion und Verräter genannt. Kurzerhand warf man ihn in eine Zisterne. Er wurde mundtot gemacht mit der Absicht, ihn am liebsten da unten im Schlamm verrotten zu lassen.
Was dann passiert, ist erstaunlich und inspirierend: es gibt am Königshof einen Finanzminister. Er heißt Ebed-Melech und kommt aus Äthiopien. Als der erfährt, dass Jeremia in der Zisterne sitzt, geht er zum König und sagt: „Der Prophet hat nichts getan. Wie er behandelt wird, ist niederträchtig.“
Ein Minister mit Haltung und Rückgrat hilft ihm in die Freiheit zu kommen
Er gibt damit dem Stummgemachten eine Stimme und stimmt den König um. Zusammen mit ein paar anderen holt er Jeremia wieder aus dem Schlamm heraus. Ein Minister mit Haltung und Rückgrat. Er verfügt über einen klaren Blick für die Menschlichkeit und für das Recht. Beides hat er nicht verloren am Hof des Königs.
Mir gefällt dieser Minister. Er handelt unter den Bedingungen des Regierungssystems, in dem er lebt. Aber er lässt sich davon nicht aufsaugen. Er sieht den Menschen und die Gerechtigkeit. Über seinen Glauben wird nichts gesagt in der Bibel. Nur, dass er Ebed-Melech heißt und aus Äthiopien kommt. Also im alten Israel ein Ausländer war. Sieh da, Menschlichkeit ist grenzenlos. Und gilt global.