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Rosen für den Lokführer
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Rosen für den Lokführer

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Im ICE zwischen Berlin und Leipzig betrat eine Frau mit zwei Kindern den vollen Speisewagen. Am Arm hielt sie einen Korb voller roter Rosen. Freundlich bat sie um die Aufmerksamkeit der Reisenden. Sie sagte: Ich bin die Tochter des Lokführers. Mein Vater hat just in dieser Stunde im Führerstand der Lok seine letzte Fahrt. Sie endet in Leipzig. Er hat Zeit seines Berufslebens bedauert, dass er nie die Fahrgäste sehen könne, die er tagaus, tagein befördert. Und so habe ich mir gedacht, dass dazu heute eine gute Gelegenheit ist.

Es war still im Speisewagen - und dann machen alle mit

Und dann fragt die Frau, ob sie denn allen Fahrgästen eine Rose aushändigen dürfe. Damit sie sie bei der Ankunft in Leipzig ihrem Vater überreichen. Es war einen Moment still im Speisewagen. Erst sah man erstaunte Gesichter, dann nickende Köpfe. Fast alle nahmen eine Rose. Soldaten, Manager, Studentinnen, Omas, Enkel und Laptop-Klapperer.

Der Lokführer war überwältigt und gerührt

Als der Zug in Leipzig einfuhr, war das anders als sonst. Der an sich eilig fließende Strom von Reisenden bewegte sich langsamer. An der Lok bildete sich eine lange Schlange. Alle gaben dem völlig überwältigten Lokführer einen guten Wunsch mit auf den Weg. Der Führerstand war schnell übersät mit Rosen und dem Lokführer kamen die Tränen. Das dreiköpfige Empfangs-Komitee der Bahn, das mit einem Blumenstrauß am Kopf des Gleises gewartet hatte, starrte fassungslos auf den Auflauf und versuchte die eigene Rührung zu verbergen.

Danke - Spitzenreiter in der Bibel

Ein Kollege hat mir diese Geschichte erzählt und ich habe sie nicht vergessen können. Denn was da passiert, ergibt ein schönes Bild. Menschen lassen sich anstecken zum guten Tun. Es braucht nicht viel dazu. Hier reicht eine Rose in der Hand und ein paar Minuten Zeit. Die Leute erleben, dass es gut tut, anderen etwas Gutes zu sagen. Wertschätzung und Dankbarkeit tragen zu einem zufriedenen Leben bei, das wissen Medizin und Psychologie schon lange. In der Bibel ist das Wort „Danke“ ein Spitzenreiter, so oft steht es da.

Dankgebet als tägliches Ritual

Für viele heute gehört ein Dankgebet für Bewahrung oder Gelungenes zu ihrem täglichen Ritual. In der Arbeitswelt gilt die Wertschätzung von Mitarbeitenden als Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens. Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt fühlen, sind motivierter, produktiver und bleiben ihrem Arbeitgeber länger treu.

Eine Rose oder ein freundlicher Blick

Die Tochter des Zugführers mit ihrem Korb Rosen hat gezeigt, wie es geht: mit  Offenheit füreinander, etwas Zeit für die Begegnung und einer zugewandten Geste. Das kann ein freundlicher Blick sein oder eine Rose. Oder einfach nur ein  herzliches „Danke schön“. 

 

 

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