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Ganz bei anderen sein
Pixabay/Jane Bo

Ganz bei anderen sein

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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„Danke, dass Sie Zeit für mich hatten und zugehört haben“. Mit diesen Worten verabschiedet sich meine Tischnachbarin auf einem Geburtstagsfest. Am Anfang war diese Frau erst ein bisschen reserviert, die Unterhaltung kam nur schleppend in Gang. Doch dann habe ich sie nach ihrem Beruf gefragt und sie hat angefangen zu erzählen. Von den Herausforderungen einer Landschaftsgärtnerin und den schönen Seiten dieser Aufgabe.

Wenn mir ein Mensch richtig zuhört, fühle ich mich wertvoller

Und ich? -ich habe zugehört und nicht gleich erzählt, was ich mache. Und beim Zuhören habe ich wieder einmal erfahren: Alle Menschen werden in dem Augenblick ganz andere, wenn sie merken: Da ist plötzlich jemand, der sich für mich als Person interessiert. Plötzlich sieht der ganze Tag für sie viel heller aus. Manchmal erklärt mir jemand wie diese Frau ihren Beruf oder sein Hobby haarklein. Und damit auch gleich sein ganzes Leben. Ich sehe, wie er sich durch mein Interesse wertvoll fühlt. Und das berührt auch mich.

Anteil nehmen an anderen Menschen, ist schwierig

Anteil nehmen, sich ganz auf den Anderen zu konzentrieren -das ist eine hohe Kunst. Ich muss das oft üben, muss ich zugeben. Manchmal frage ich mein Gegenüber etwas und höre bei der Antwort nicht richtig zu. Ich bin schon gedanklich bei all den Ratschlägen, die ich für dieses Problem parat halte. Oder ich nehme das, was der andere sagt, nur als Aufhänger, um von mir zu erzählen.

Jesus hörte jedem genau zu

Solche Gespräche gehen dann aber oft aneinander vorbei. Im Nachhinein ärgere ich mich vor allem über mich. Warum konnte ich einfach nicht nur mal zuhören, ganz bei dem anderen bleiben? Das war eine Stärke von Jesus und wird anschaulich in einer meiner liebsten biblischen Geschichten.  Jesus geht mit seinen Jüngern durch eine Straße Ein blinder Mann ruft laut nach ihm. Jesus bleibt stehen und fragte ihn: „Was willst du, dass ich für Dich tun soll?“ (Lukas 18,41) Er fragt ihn ganz konkret und hört dann zu.

Der blinde Mann spürt: Jetzt geht es wirklich um mich. Hier wirft nicht einer ein paar Almosen hin, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Und so antwortet er genauso direkt: „Jesus, ich möchte sehen können“. Jesus erfüllt ihm seine Bitte und heilt ihn.

„Was kann ich für dich tun?“

In diesem Fall nur ein kurzes Gespräch, aber die Frage bleibt mir wichtig: „Was kann ich für dich tun?“ oder wie geht es Dir?

Wo auch ich diese Fragen stelle, will ich mich an diese Szene der biblischen Geschichte erinnern- und dann zuhören und ganz bei dem anderen sein.

Deshalb werde ich es üben in der Familie, bei Freunden und Mitarbeitenden im Büro. Das ist für mich auch Ausdruck der Nächstenliebe. Und wo ich es erlebe, wird auch mein Tag heller. Denn: Jede und jeder ist froh, wenn jemand an ihrem Leben Anteil nimmt.

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