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Sonnenblume oder Stinkmorchel?
Pexels/Kristina Paukshtite

Sonnenblume oder Stinkmorchel?

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg
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Wir sind mittendrin, im Wonnemonat Mai. Nicht nur die Natur, auch die Liebe blüht auf. Wer schöne Worte sucht, die beides verbinden, wird in der Bibel fündig: „Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen“, heißt es im Hohenlied der Liebe (Kap 2,2-3). Oder „Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen“.

Welche Menschen lassen sich mit einer Pflanze vergleichen?

Liebeserklärungen mit schönen Pflanzen. Da bekomme ich gleich Lust, weiterzudenken: Welche Menschen lassen sich mit einer Pflanze vergleichen? Da gibt es schlanke Birken, strahlende Sonnenblumen, feurigen Klatschmohn. Da gibt es ein Moospolster, in das man sich gerne reinlegen mag. Vielleicht eine knorrige Eiche, an der man sich reiben kann. Aber da sind auch Disteln und Schlingpflanzen, von denen wir lieber Abstand halten.

Wenn ich all diese Pflanzen vor mir sehe mit ihren interessanten Eigenschaften, werde ich an einen Psycho-Test erinnert. Was bin ich denn selbst für ein Gewächs – und welches andere passt zu mir?

Was für eine Pflanze bin ich?

Wir alle haben ein eigenes Profil. Wir haben eine Figur und einen Charakter.  Wir sind fasziniert von anderen und andere von uns. Aber passen wir auch zusammen? Was machen wir aus dem, was uns gegeben ist? Die Stärken einsetzen, natürlich. Die Schönheit pflegen, die Figur optimieren.  Auch der schönste Apfelbaum will umsorgt sein, damit er Früchte trägt. Und die hübsche Lilie braucht ihren besonderen Platz, braucht Dünger und Wasser. 

Was aber mache ich, wenn ich den Eindruck habe, ich bin nicht attraktiv:  Ich halte mich eher für eine Brennnessel oder eine Stinkmorchel?

Ein Gartenseminar zur Persönlichkeitsentwicklung

Da kann eine Gartenfreundin helfen. Sie bietet Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung an. Dafür schickt sie die Leute in ihren großen Garten und sagt:  Such dir eine Pflanze, die dich anspricht, und schau sie dir gut an. Die Teilnehmenden gehen los und betrachten Pflanzen, die sie interessieren. Auch solche, die sie noch nie bewusst gesehen haben. Sie lassen sich Zeit und sprechen dann erst mit anderen über ihre Eindrücke. Und so entdeckt jemand: Ich bin genau wie dieses Gras. Ich werde oft übersehen. Aber ich bin sehr vital, ich breite mich überall aus. Ich bin verletzlich, andere fressen an mir herum. Aber nicht jeder kann mich nehmen, ich habe messerscharfe Kanten. Und wenn ein Sturm kommt?  Macht mir gar nichts aus, ich bin biegsam.

Was für großartige Entdeckungen kann ich machen, jetzt im Mai, draußen. Ich betrachte eine Pflanze, und lerne mich dabei selbst besser kennen. Ich kann mich neu verlieben. In andere und in mich selbst.

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