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Die gar nicht grüne Öko-Oma
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Die gar nicht grüne Öko-Oma

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg
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Sie war eine Gartenfreundin. Nicht für die Abteilung Zierrasen und Rhododendren, sondern für Möhren, Wirsing, Zwiebeln und Johannisbeeren. So wie damals fast alle Frauen im Dorf. Jede freie halbe Stunde lief meine Oma in ihren Garten. Im Sommer auch gerne noch abends nach acht, wenn es kühler wurde, um zu gießen und Unkraut zu rupfen. Wenn sie mal schlecht gelaunt hinging, kam sie gut gelaunt wieder. Das machte der Garten.

Der Oma im Garten helfen

Als Kleiner durfte ich mit, später musste ich mitgehen und helfen. Das Erdbeerenpflücken oder Bohnenstangen setzen machte mir mehr Spaß als die wilden Quecken aus der Erde zu graben. Meine Oma lobte mich, wenn ich es gut gemacht hatte. Sie schimpfte aber auch, wenn ich etwa in der guten Absicht, die ausgebüxten Hühner aus den Beeten zu jagen, selbst mehr Schaden angerichtet hatte als das Federvieh.

Keine Verschwendung von Lebensmitteln

Aber richtig sauer wurde meine Oma, wenn sie sah, dass einer aus der Familie etwas wegwarf, das man noch hätte essen können. Der halbe Apfel faul? Na und, dann schneidet man das Faule ab und isst die gute Hälfte. Die Enden vom Brot, die Knüstchen, wie sie bei uns hießen, hart und trocken? Die wurden alle gesammelt für eine Brotsuppe, die es alle vier Wochen gab. Mit Rosinen. Sehr lecker übrigens.

Respekt und Dankbarkeit vor dem, was das Leben uns geschenkt hat

Unsere Oma lag in den 70er Jahren damit ein bisschen hinter ihrer Zeit. Was sie dazu bewegte, war sicher auch Sparsamkeit. Lange war sie ziemlich arm gewesen. Dann war es aber auch noch etwas anderes, das mich überzeugt und selbst in diese Richtung gelenkt hat: Die Dankbarkeit vor dem, was uns zum Leben geschenkt ist. Oder auch der Respekt vor dem, was man sich selbst erarbeitet hat - meist ist es ja beides.

Bei Oma gab es keinen Müll

Übrigens: Meine Oma machte keinen Müll. Das habe ich erst entdeckt als bei uns im Dorf die Mülltonnen eingeführt wurden. Es war im Sommer. Der Rest der Familie war verreist. Oma und ich waren drei Wochen allein zuhause. Sie kochte für uns. Aber nachher war kein Müll in der Tonne. Gemüse und Kartoffeln stammten aus dem Garten. Eier von den eigenen Hühnern, Brot backte sie selbst aus Zentnersäcken mit Mehl.

Fleisch hatten wir vom Selbstgeschlachteten. Essensreste gingen an die Hühner. Papier wurde verbrannt. Oma machte keinen Müll.

Nachhaltig mit Nahrung umgehen

Nun hat heute nicht jeder einen Garten und kann so leben wie meine Oma. Aber sorgsam und nachhaltig mit Nahrung umgehen, können wir schon. Keiner verbrennt mehr Papier zuhause. Wir trennen den Müll. Und werden dabei immer besser.

96 ist sie geworden - trotz dieses Lebensstils oder wegen ihm. Ein Kind des späten 19. Jahrhunderts. Meine Oma wusste, wie wir uns verhalten müssen, damit unsere Enkel gut ins nächste Jahrhundert kommen.

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