
Ausruhen ist Widerstand!
Letzten Dienstag habe ich endlich mal wieder einen Mittagsschlaf gehalten. Das hat gutgetan. Ich fühle mich danach jedes Mal frischer. Aber wann kommt man im Alltag schon mal dazu, wenn man berufstätig ist? Oder andere Verpflichtungen hat. Sich etwa um Familienangehörige kümmert. Da kommt nicht nur ein Mittagsschlaf zu kurz, sondern grundsätzlich das Ausruhen.
Ein Ruhetag für alle
In der Bibel entdecke ich: Ausruhen ist kein Luxus. Gott erschafft die Welt und verordnet dann sich selbst und seinen Geschöpfen einen Ruhetag. Daraus hat sich in unserer Kultur der Sonntag entwickelt, den das Gesetz besonders schützt. Die biblische Erzählung von der Schöpfung hat also auch eine politische Bedeutung.
Ruhe ist ein Thema der sozialen Gerechtigkeit: Schlafentzug war ein Mittel der Unterdrückung
Diese Gedanken hat die US-amerikanische Theologin und Künstlerin Tricia Horsey aufgegriffen. Als sie vor rund zehn Jahren an der Uni studiert, muss sie sich gleichzeitig um ihre Familie kümmern und Geldverdienen. Das bringt sie dazu, die amerikanische Gesellschaft und ihre Geschichte genauer zu betrachten. Sie kommt zu dem Schluss: Ruhe ist ein Thema der sozialen Gerechtigkeit. Das gehe zurück bis in die Zeit der Sklaverei. Da war Schlafentzug ein Mittel der Unterdrückung der schwarzen Sklaven aus Afrika. Und heute wird erwartet, dass Menschen ständig am Limit arbeiten. Das betrifft vor allem ärmere Menschen, besonders Frauen und schwarze Menschen. Viele müssen sogar in mehreren Jobs arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Gründung des Projekts "Nap Ministries", auf Deutsch etwa „Heilige Praxis des Schläfchens“
Dagegen will die Theologin etwas tun und gründet das Projekt "Nap Ministries", auf Deutsch etwa „Heilige Praxis des Schläfchens“. Sie veranstaltet kollektive Nickerchen in verschiedenen Städten. Die Teilnehmenden erhalten Yogamatten und Decken und können 30 bis 40 Minuten lang gemeinsam schlafen. Im Hintergrund spielt Musik. Dann beginnt Hersey mit einer Meditation über die Kraft des Schlafens und Träumens. Nach dem Schlafen tauschen sich alle aus über das, was sie belastet und suchen gemeinsam Lösungen. Viele wollen sich gegenseitig unterstützen und ihre Situation verbessern.
Ein Nickerchen mit politischer Botschaft
„Ruh dich aus, wenn du müde bist!“ Das ist die Botschaft von Tricia Hersey. Sie selbst bezeichnet sich als „Schlaf-Bischöfin“. Das klingt banal oder skurril, hat aber eine politische Dimension: Für sie ist Ausruhen ein Akt des Widerstands gegen die Tretmühle, in der viele Menschen heute stecken.[1] Ich hätte nicht geahnt, dass in einem Nickerchen solch eine politische Botschaft steckt. Aber die Vision ist stark: Wenn wir nicht mehr wie Maschinen arbeiten, wird die Gesellschaft menschlicher.
Ich bin nicht faul. Ich bin im Widerstand!
Ob ich heute dazu komme, einen Mittagsschlaf zu halten? Den Segen der „Schlaf-Bischöfin“ hätte ich auf jeden Fall. Und wenn mir jemand deshalb ein schlechtes Gewissen machen will, werde ich sagen: „Ich bin nicht faul. Ich bin im Widerstand!“
[1] Tricia Hersey, Rest Is Resistance: Free yourself from grind culture and reclaim your life, Octopusbooks 2024.