
Politik und Trost – zum 100. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch
„Tach zusammen. Wie isset? Jut? Hauptsache!“ So hat der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch über Jahrzehnte die Gäste in seinen Bühnenprogrammen begrüßt – herzlich, bodenständig, mit einem Augenzwinkern. Ich selbst habe ihn öfter auf Kirchentagen erlebt. Wenn er auf der Bühne hockte, oft atemlos seine Texte und Lieder vortrug, sich selbst begleitend auf einer kleinen Elektro-Orgel. Heute wäre Hanns Dieter Hüsch 100 Jahre alt geworden. Das „schwarze Schaf vom Niederrhein“, so nannte er sich selbst.
Das „schwarze Schaf vom Niederrhein“, so nannte er sich selbst.
Das „schwarze Schaf vom Niederrhein“, so nannte er sich selbst. Denn er war ein Außenseiter in der Kabarett-Szene: nicht nur Komiker, sondern Dichter, Schauspieler, Synchronsprecher. Und bei alledem: evangelischer Christ. Mit einer ganz eigenen Art, seinen Glauben auszudrücken. Etwa in seinen „Psalmen für Alletage“. Gebete, die er aus der Bibel ins Hier und Jetzt übersetzt hat. Ich habe immer bewundert, wie er dabei scheinbar Gegensätzliches zusammengebracht hat: Alltag und Sonntag. Politisches und Tröstliches. Himmel und Erde.
Hanns Dieter Hüsch stellte sich Gott nicht im Himmel vor, sondern auf der Erde
Das konnte er, weil er sich Gott nicht im Himmel vorgestellt hat. Sondern hier auf der Erde. Mitten im Alltag unter den normalen Leuten. Auch bei denen, die es nicht leicht haben im Leben: bei den Geknickten, bei den Suchenden und Verrückten. Hüsch erzählte Geschichten wie: Er habe Gott oft in einem Städtchen am Niederrhein getroffen. Da steht Gott plötzlich in Dinslaken in einem Stehcafé und trinkt Espresso. Oder Gott fährt auf einem Fahrrad vorbei, mit Jacke und Mütze und lädt ihn auf eine Spritztour in den Himmel ein.
Er hat Gottes Traum von einer besseren Welt mitgeträumt
Oder: Gott sitzt in einem Kirschbaum, wo er den „alten Traum vom großen Menschenhaus träumt“[1], so dichtet es Hüsch. Er selbst hat diesen Traum Gottes mitgeträumt. Den Traum von einer Welt voller Geschwisterlichkeit und Frieden. Ich finde: Wie Hüsch von einer friedlichen Welt gepredigt und gedichtet hat, ist sehr politisch und noch immer hochaktuell. Was es dafür braucht? Nicht viel. In einem Gedicht hat Hüsch geantwortet: „Das freundliche Wort und den guten Blick. Die einfache Weise miteinander umzugehen. Als wäre jeder ein Stück vom anderen und ohne den einen gar nicht möglich.“
Gott begegnet den Menschen auf Augenhöhe
Frieden, Versöhnung, Trost: Davon hat Hanns Dieter Hüsch geträumt und gedichtet in einer Welt, die zerrüttet ist. Er hat an Gott geglaubt, der den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Und der auch am Ende des Lebens bei den Menschen ist. Zuletzt war Hanns Dieter Hüsch schwer krank. Ich stelle ihn mir trotz allem gelassen und befreit vor. Weil er in seiner typischen Art sagen konnte: „Ich habe mit Gott eine Verabredung. Und weil wir beide so wenig Zeit haben, haben wir gesagt, lass uns mal nichts fest machen. Wer kommt, der kommt.“
Und wer weiß? Bestimmt hat Hüsch ihn dann im Himmel getroffen. Und Gott sofort an seiner Jacke und seiner Mütze wiedererkannt.
[1] Die geistlichen Texte sind versammelt in dem neuen Band: Okko Herlyn (Hrsg.), „Ein Glück, dass es den Himmel gibt: Psalmen, Gebete und geistliche Gedanken von Hanns Dieter Hüsch“, Neukirchener Verlag 2025.