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Der Blick der Auferstehung
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Der Blick der Auferstehung

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Vor einiger Zeit sprach ich in meiner Gemeinde mit einer älteren Dame, die sich in eine Ikone verguckt hatte. Eine Christus-Darstellung auf Holz gemalt, in dem Stil, der für Ikonen üblich ist. Nicht besonders groß, eigentlich recht schlicht gemalt. Aber die Dame schwärmte von der Darstellung. Auf meine Frage, was genau sie an diesem Bild so fasziniert sagte sie: Es ist der Blick!

Der Ausdruck des Auferstandenen

Im anschließenden Gespräch erzählte sie es mir dann: Sie hatte nach einem Bild gesucht, das den auferstandenen Christus zeigt. Nicht der tatkräftige Jesus interessierte sie, nicht die Geschichten über Heilungen oder die Erlebnisse mit den Jüngern, sondern der Ausdruck des Auferstandenen. In der Ikone hatte sie den gefunden.

An das Bild kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber an die Frage: Wie blickt der Auferstandene? Seitdem achte ich in Ausstellungen und Büchern auf Abbildungen des Christus, ob sein Blick die Auferstehung glaubhaft vermittelt.

Christus in die Augen schauen

Dahinter verbirgt sich das Interesse: wie ist Auferstehung überhaupt zu begreifen. Gerade in diesen Tagen nach Ostern macht sich dieses Bedürfnis wieder bemerkbar: Ich möchte so gerne der Auferstehung in die Augen schauen, merken, welche Gefühle sie in mir weckt, welche Hoffnungen ich damit verbinde. Ein Bild und ein Gesicht - das ist noch etwas ganz Anderes, als wenn ich abstrakt darüber nachdenke. Es ist sinnlicher, wenn ich dem abgebildeten Christus in die Augen schauen kann und die Mimik auf mich wirken lasse.

Begegnungen mit dem Auferstandenen

Die christliche Vorstellung von der Auferstehung kann doch nicht bloß ein theoretisches Prinzip sein. Die biblische Geschichte schildert das Geschehen doch leibhaftig: der Auferstandene lässt sich anfassen, er isst gebratenen Fisch und geht mit den Seinen auf eine Wanderung.

Nur ist das lange her. Wie also heute die Auferstehung begreifen?

Blickkontakt verbindet

Ich denke: Es ist kein Zufall, dass die ältere Dame vom Blick des Auferstandenen fasziniert war. Wenn ich einem anderen Menschen in die Augen sehe, ist das eine zweiseitige Angelegenheit. Ich sehe den anderen Menschen, und zugleich fühle ich mich auch von ihm erkannt. Es ist nicht möglich, jemandem in die Augen zu blicken, ohne sich zugleich von ihm angeschaut zu fühlen. Der Blickkontakt schafft eine Verbindung.

Erleben, was Ostern bedeutet

Diese Wirkung hat Maler immer wieder herausgefordert. Sie wollten erfahrbar machen, was der Sieg über Tod wirklich bedeutet. Die Ergebnisse sind unterschiedlich. In einem ähneln sie sich aber: Der Auferstandene zeigt keine überschwängliche Euphorie, kein herzhaftes Lachen, keine strahlenden Zähne, nur ein mildes Lächeln. Die Mimik ist zuversichtlich, erlöst, die Sorgenfalten sind verschwunden, sein Blick ist klar: Die Auferstehung ist keine Siegerpose, sie wird spürbar im Blickkontakt, im Sehen und Gesehenwerden.

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