
Aufschieberitis
Beim Blättern durch die Tageszeitung fällt mein Blick auf eine Veranstaltungsankündigung: Die Universitätsbibliothek Marburg lädt ein zu einer „Diskussion über Aufschieberitis". Im Text heißt es: „Morgen fang ich an. Der Kampf mit dem leeren Blatt. Vertreter*innen verschiedener Fachbereiche diskutieren über Prokrastination.“
Prokrastination - nicht in die Pötte kommen
Dieses Fachwort ist mir noch nicht geläufig, aber um was es geht, weiß ich sofort: Etwas vor sich herschieben, keinen Anfang finden, nicht in die Pötte kommen. Die Steuererklärung. Die lange Liste neben dem Telefon, von Leuten, die ich mal wieder anrufen will. Außerdem müssen die Fenster geputzt werden. Immer wenn die Sonne scheint, denke ich daran. Aber dann schiebe ich es wieder auf.
"Es ist alles nur ein Drangehen"
Mir fällt dann oft ein Satz meiner Mutter ein, der mir den nötigen Stups gibt: „Es ist alles nur ein Drangehen“. So hat sie sich selbst zur Arbeit motiviert. Und sie hatte viel Arbeit, nicht nur angenehme.
Sich selbst blockieren
Mit diesem Satz hat sie uns Kindern zugesprochen. Wenn wir viele Hausaufgaben hatten und das Wetter schön war, dann konnte es vorkommen, dass wir den ganzen Nachmittag vertrödelt haben mit Ärgern und Aufschieben, während die Nachbarkinder längst draußen in der Sonne gespielt haben. „Kinder, es ist alles nur ein Drangehen“ sagte dann unsere Mutter. „Denkt nicht so viel darüber nach, sondern fangt einfach an.“ Sie hatte natürlich recht. Mit der Energie, mit der wir uns selbst blockiert haben, hätten wir die Aufgaben längst erledigt.
Prokrastination hängt meist mit einer ernsthaften psychischen Störung zusammen. Studierende können ihre Arbeit nicht schreiben, obwohl sie alles gelernt haben. Sie brauchen fachliche Beratung und Unterstützung. Da reicht die Lebensweisheit meiner Mutter sicher nicht aus.
Begeistert an die Aufgaben gehen, die vor einem liegen
Aber für meinen Alltag ist es ein guter Spruch. Der Apostel Paulus schreibt das übrigens ganz ähnlich in seinem Brief an die Christinnen und Christen der Gemeinde in Rom: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt“. Und er setzt sogar noch eins drauf: „Seid brennend im Geist!“ (Römer 12,11) Sie sollen nicht nur nicht träge sein und drangehen an das, was sie zu tun haben. Sie sollen es auch begeistert machen, feurig, leidenschaftlich.
Was ich mit Liebe und Begeisterung tue, geht mir viel leichter von der Hand. Und wenn ich erstmal angefangen habe, kommt die Freude oft von allein dazu: Das schöne Gespräch mit der Tante, die ich schon so lange anrufen wollte. Der klare Blick durch die Fenster, die jetzt ihren Frühjahrsputz bekommen haben.