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Spazierengehen zeigt mehr vom Leben
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Spazierengehen zeigt mehr vom Leben

Claudia Biester
Ein Beitrag von Claudia Biester, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg
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Wochenende heißt spazieren gehen. Vielleicht auch wandern. Oder Radfahren. Jedenfalls rausgehen. So war es für mich als Kind jedes Wochenende. 

Im Wald der Kindheit unterwegs

Jetzt war ich nach langer Zeit mal wieder wandern in dem Wald meiner Kindheit. Ich war überrascht, wie gut ich die Schneisen und Waldwege noch kenne. Auch manche Einkehrmöglichkeit. Hier haben wir Kuchen gegessen und an diesem Bach einen Staudamm gebaut. Und da hinten auf dem moosigen Weg hat mein Vater beim Spazierengehen Ostereier versteckt. Ich glaube wirklich, er dachte, wir bemerken es nicht. Und, ja, die Brücke kenne ich auch, sie führt zu einem Aussichtsturm.  

Die Wochenend-Oase

Ich erinnere mich auch, dass ich früher gar nicht immer froh war über die Spaziergänge. Manchmal musste man mich ganz schon locken zum Rausgehen. Heute weiß ich, mir damals etwas gezeigt worden, was über Orts- und Wegekenntnis hinausgeht und was mir oft ein Schatz ist. Der Wald ist für mich etwas geworden, wo ich weiß: Ich kann hingehen. Er ist mir eine Wochend-Oase, ist mir vertraut und hält Entdeckungen bereit, die oft neben dem Hauptweg liegen. Ich verbinde damit die Erfahrung: Es gibt eine Zeit, die außerhalb des Alltags steht.

Mal die Zielstrebigkeit vergessen

Im Wald schaut man ja dauernd rechts und links und nicht nur stur geradeaus. Alle Zielstrebigkeit lässt sich vergessen, stattdessen lernt man das Stehenbleiben, die Langsamkeit, das genaue Hinschauen. Die kleinen Anemonen blühen jetzt im März schon im Wald, habe ich gesehen – in Ruhe will ich sie anschauen und bewundern. Sie sind nur kurz da. Und all die Vögel, die wieder zu hören sind, ich muss nur einen Moment still stehen bleiben.  

Schöne Räume: Wald, Musik, Kunst, Literatur

Wie schön, dass es diesen Raum gibt, den Wald. Darüber hinaus gibt es für mich auch noch andere Räume. Da fühle ich mich ähnlich luftig, kann die Gedanken schweifen lassen. Es sind die Räumer der Literatur und der Musik. Auch sie sind erreichbar. Sie sind anspruchsvoll, fordern sie doch Konzentration und oft setzten sie ein Kennenlernen, ein Vertrautwerden voraus. Manchmal auch das Gegenteil, das Akzeptieren des Fremden. Doch immer tut es mir gut, wenn ich solche Räume aufsuche, die mich ab und zu von nur Geradeaus und Funktionieren abbringen und mir zeigen, wieviel mehr das Leben ist.    

 

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