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Auszeit am Mittag

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Katholische Studienleiterin an der Akademie des Bistums Mainz in Darmstadt
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Ich hatte in meinem Leben immer wieder sehr schöne Begegnungen mit Ordensleuten gehabt, vor allem mit Ordensschwestern. Ich habe eine Schule der Maria-Ward-Schwestern besucht, damals haben noch einige Schwestern an der Schule unterrichtet. Und ich bin auch ab und zu selbst in Klöstern zu Gast gewesen, vor allem bei Benediktinerinnen.

Meist nehme ich dort an Tagen der Besinnung teil oder verbringe ein paar Tage „Kloster auf Zeit“. Ich lebe dann mit den Schwestern mit, nehme an den Gebetszeiten teil und helfe ein wenig bei der Arbeit im Kloster.

Das Leben im Kloster ist anders

Gerade diese Tage im Kloster erlebe ich als sehr bereichernd. Die Schwestern führen ein ganz anderes Leben als die meisten Menschen und auch als ich selbst: Sie leben im Kloster, ohne eigenen Besitz, ohne Familie, dafür in einer Gemeinschaft mit anderen Frauen, in die sie sich einfügen, eine Äbtissin leitet das Kloster.

Meist gehen die Schwestern einer Tätigkeit im Kloster nach, und vor allem: Ihr Tagesablauf ist geprägt von den regelmäßigen Gebetszeiten, dem Stundengebet, das zu festen Uhrzeiten gemeinsam in der Klosterkirche gebetet wird – am Morgen, am Mittag, am Abend und zur Nacht.

Struktur durch Gebete

Auch als Besucherin spüre ich: Die Tage im Kloster bekommen ihre Struktur durch das gemeinsame Gebet, das Gebet gibt gewissermaßen den Rahmen vor, in den sich alles andere einfügt. Vor allem das Gebet am Mittag spricht mich sehr an: Mitten am Tag die Arbeit bewusst unterbrechen, innehalten und zum Gebet in die Kirche gehen – für mich steckt darin auch die Botschaft: Es gibt noch etwas Anderes als Arbeit, die Pflichten und Sorgen des Alltags, sie dürfen nicht überhandnehmen, nicht wichtiger werden als der Kontakt zu Gott.

Und, auch das lese ich darin: Ich darf meinen Alltag auch ins Gebet mitnehmen und vor Gott bringen. Fast beneide ich die Schwestern um diese Möglichkeit, mitten am Tag innezuhalten – in meinem eigenen Alltag schaffe ich es oft nicht, mir die Zeit dafür zu nehmen.

Immer weniger Menschen in Klostern

Ich weiß: Immer weniger Menschen entscheiden sich für ein Leben im Kloster. Schon seit vielen Jahren werden die Gemeinschaften immer kleiner, viele Ordensgemeinschaften müssen Niederlassungen aufgeben, Klöster schließen. Ich hoffe trotzdem, dass Orden und Klostergemeinschaften Wege finden, ihre Lebensweise fortzusetzen und weiterzugeben.

Ich führe ein ganz anderes Leben, in Beruf und Familie, oft bleibt mir im Trubel des Alltags nur Zeit für einen kurzen Gedanken an Gott, für ein kurzes Gebet. Dann bin ich froh zu wissen: Es gibt Menschen, die lassen ihren Tag vom Gebet bestimmen – und nehmen die vielen Anliegen der Welt in ihr Gebet auf, auch mich und meine Anliegen.

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