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Herr Glück und Frau Unglück
GettyImages/Jacob Wackerhausen

Herr Glück und Frau Unglück

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Frau Unglück hat es nicht leicht. Sie ist die Hauptperson im Bilderbuch von Antonie Schneider und Susanne Straßer.[1]

Wenn das Leben nur grau erscheint

Frau Unglück wohnt in einer Bruchbude. Es regnet durchs Dach. Die Fensterläden sind kaputt. Überall sind Spinnweben. In ihrem Garten blüht nichts. Ihr dunkler Rock und ihre Bluse haben Löcher und sind an vielen Stellen geflickt. Sie sieht alles negativ. Sie kann sich nicht freuen, nicht an ihrer Katze, nicht an ihrer Ziege, nicht am Wetter. Wenn es regnet, dann nur bei ihr, denkt sie.

Ein neuer Nachbar voller Lebensfreude

Eines Tages zieht ein Mann ins Nachbarhaus. Er ist ganz das Gegenteil von Frau Unglück. Dick und lebensfroh, ein bisschen chaotisch. Immer mit einem Lied auf den Lippen. Er freut sich über alles, was ihm begegnet. Und er heißt natürlich… Herr Glück. Er pflanzt Blumen im Garten. Er begrüßt die Sonne genauso wie den Mond. Er freut sich über den Regen, wenn er kommt, und über den Schnee und über den Wind. Und er bemüht sich um Frau Unglück. Stellt sich ihr freundlich vor. Winkt, wenn er sie sieht.

Wenn das Glück ins Leben kommt

Die aber ist misstrauisch. Sie versteht nicht, wie Herr Glück so fröhlich und positiv sein kann. Sie fühlt sich in Frage gestellt mit ihrer Sicht der Dinge. Sie überlegt, wie sie ihn wegekeln kann. Währenddessen streut Herr Glück Samen aus, die zufällig auch in den Garten von Frau Unglück wehen. Nach und nach wird es auch in ihrem Garten bunt. Es sprießt und grünt. Sie stellt erstaunt fest: sie freut sich. Und als Herr Glück dann neben sie tritt und vorsichtig ihre Hand nimmt, lächelt sie zum ersten Mal. Und fängt an, das Glück in ihrem Leben zu entdecken.

So weit das Kinderbuch.

Manchmal kommt man schwer aus seiner Haut raus

Ich finde es bemerkenswert, wie Herr Glück behutsam das Leben von Frau Unglück zum Positiven beeinflusst. Ob ich das Leben von seiner leichten Seite nehme oder eher schwer, daran kann ich selbst vielleicht gar nicht so viel ändern. Das ist mein Naturell, mein Charakter, manchmal auch biographisch gewachsen. Ich zum Beispiel bin eher ängstlich und ernst. Da hilft es mir nicht, wenn mir jemand sagt: „Sieh mal alles ein bisschen lockerer!“ Würde ich ja gern, kann ich aber nicht einfach so.

Glücksmenschen - von Gott geschickt?

Ich habe aber immer wieder Menschen um mich, die mich behutsam an der Hand nehmen, die mir beibringen, das Leben auch positiv zu sehen, vorsichtig und liebevoll wie Herr Glück. Und ich bin mir ziemlich sicher: Gott hat diese Menschen an meine Seite gestellt.

Glücksmenschen in meinem Leben

So wie meine beste Freundin zum Beispiel. Wir wohnen 200 km voneinander weg. Sehen uns nicht so oft. Aber wir sprechen uns ständig gegenseitig Sprachnachrichten auf. Wenn ich etwas ganz dramatisch oder traurig empfinde oder Sorgen habe, dann teile ich das mit ihr. Oft genug bringt sie mich durch ihre Antwort ins Nachdenken oder eröffnet mir eine neue Sicht auf die Dinge. Und schwupps, schon fühlt sich mein Problem gar nicht mehr so dramatisch an. Wieder ein kleiner Wink durch den lieben Gott. Und ein bisschen mehr Glück in meinem Leben. Danke!

 


[1] Antonie Schneider/Susanne Schneider, Herr Glück & Frau Unglück, Stuttgart 2023.

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