
Versöhnung
Ein kurzer aber umso hitziger Wahlkampf liegt hinter uns. Manches ist in dieser Zeit gesagt worden, was am liebsten nicht auf die Goldwaage gelegt werden soll. Letztlich ging es darum, Stimmen zu werben, die eigene Partei möglichst positiv hervorzuheben. Und manche meinen, das gelingt dann besser, wenn sie die anderen schlecht machen.
Durch Respekt Würde bewahren
Ich glaube: Das funktioniert so nicht. Auch ich werbe mitunter, und zwar für meinen Glauben. Ich trete dann für Barmherzigkeit und Versöhnung ein und versuche andere Menschen zu überzeugen. Aber dafür muss ich nicht die anderen Religionen schlecht reden. Vielleicht ist es sogar besser, sich gegenseitig Respekt zu zollen. Dadurch bewahren wir uns ein gewisses Maß an Würde.
Im Wahlkampf ging es jedoch anders zu, heftiger, streitbarer, abgrenzend. Aber nun ist der Wettstreit der politischen Strategien zu Ende, und wir brauchen eine stabile Regierung. Die aber ist nur in Koalitionen zu erreichen. Deshalb frage ich: Wäre es jetzt nicht an der Zeit über Versöhnung zu reden?
Aus Konflikten wird Versöhnung
Das Wort Versöhnung wird benutzt, um auszudrücken wie zwei Menschen oder zwei Parteien nach einem Zwist wieder zusammenfinden. Aus dem Privatleben ist das gut bekannt. Partnerschaften, Freundschaften, das geht nicht ohne Konflikte und deshalb auch nicht ohne Versöhnung. Wer bereit ist, sich zu versöhnen, klammert nicht aus, was geschehen ist. Differenzen werden nicht unter den Tisch gekehrt, und auch die Kränkung bleibt bestehen. Und doch soll mit der Versöhnung ein neuer Versuch gestartet werden. Wer in einer Partnerschaft lebt, weiß wie das funktioniert.
Aber geht das auch in der Politik? Wie sollen die Parteien, die im Wahlkampf stets hervorgehoben haben, was sie voneinander trennt, nun zusammenkommen? Die unterschiedlichen Positionen zu Wirtschaft, Klima, Asyl, Bürgergeld und Schuldenbremse bleiben dabei bestehen. Doch statt die andere Position zurückzuweisen oder sich abzugrenzen, sollte der Wille zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft im Vordergrund stehen.
Versöhnung bietet einen Neuanfang
Für Christen leitet sich dieser Wille zum Neuanfang und zur Versöhnung von der Gewissheit ab, Gott selbst habe sich mit den Menschen versöhnt. (2. Korinther 5).
Dort ist es ein Vorschuss, den ich als Mensch bekomme. Dabei macht Gott keine faulen Kompromisse: was moralisch verwerflich war bleibt verwerflich. Fehler bleibt Fehler und trotzdem allem, was gewesen ist, bietet die Versöhnung einen Neuanfang.
Diese Einsicht lässt sich auch auf die Politik übertragen. Jedenfalls dann, wenn nicht nur die Fehler der anderen, sondern auch die eigene Schwäche gesehen wird.