
Nach der Wahl
Die Demokratie gehört zu den christlichen Merkmalen. In Synoden, auf Konzilen, in Kirchenvorständen, wurde und wird immer wieder gewählt: Wer wird Pfarrer beziehungsweise Pfarrerin in der Gemeinde? Wer soll als Bischof gekürt werden? Wer vertritt die Gemeinde in einzelnen Gremien? In solchen Fällen wird gewählt – nicht immer aber immer häufiger.
Anfangs gab es keine Wahlen
Das war nicht immer so. Als am Anfang in der Urgemeinde die Frage aufkam, wer das Geschick der Gemeinschaft bestimmen sollte, benannte Jesus persönlich zwölf aus der Schar seiner Jünger. Diese Zwölf sollten fortan die Leitung der Gemeinde übernehmen. Man könnte dieses Gremium als eine Art früher geistlicher Regierung bezeichnen. Von allgemeiner und freier Wahl war da noch nicht die Rede, stattdessen wurden die Personen berufen oder per Losentscheid bestimmt. (Apostelgeschichte 1) Erst mit der Zeit setzte sich das Prinzip der Wahl in den Kirchen durch. Inzwischen ist die Kirche gewissermaßen eine Ehe mit der Demokratie eingegangen, und das hat gute Gründe.
Gerade heute, am Tag nach der Bundestagswahl, macht es Sinn, auf diese Verbindung zu schauen und der Frage nachzugehen, warum das so ist.
Trennung zwischen Staat und Kirche - eine der Säulen der Demokratie
Schon in der Zeit des Alten Testaments setzte sich die Trennung zwischen Staat und Kirche durch, der König stand dem Priester gegenüber. Der König sollte in seinem politischen Amt für das Recht eintreten. Der Priester beziehungsweise Prophet repräsentierte die Moral. Beide waren aufeinander angewiesen, sie ergänzten und kontrollierten sich.
Diese Trennung zwischen Staat und Kirche ist eine der Säulen der Demokratie. Eine andere ist das Menschenbild. Den Anfang der demokratischen Verfassung bildet die Würde des Menschen, die unantastbar ist. Dahinter steht die Vorstellung: Jeder einzelne Mensch ist wertvoll, und zwar ohne Ansehen seiner Herkunft oder seines Geschlechts. Diese Überzeugung geht auf das christliche Menschenbild zurück. Schon im ersten Kapitel der Bibel heißt es: Der Mensch wurde zum Bilde Gottes geschaffen (1. Mose 27). Deshalb gilt: Egal ob du krank bist, nicht mehr arbeiten kannst, ob jung oder alt, arm oder reich, deine Würde darf dir niemand nehmen.
Nicht wegschauen
Die Demokratie und das christliche Weltbild sind tatsächlich eng miteinander verbunden. Leider ist das nicht immer selbstverständlich. Gerade bei dieser Wahl haben wir erlebt, wie gefährdet die Würde jedes einzelnen und die Vielfalt unserer Gesellschaft durch autoritäre Strömungen werden. Als Christen dürfen wir deshalb nicht wegschauen, wenn Populisten und Oligarchen die Demokratie unterhöhlen. Nach der Wahl ist vor der Wahl, sagt eine Redensart, und da könnten wir zur Wahrung der Demokratie und zur Versöhnung der pluralen Vielfalt beitragen.