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Wie der Bock zur Sünde kam
Pixabay/Ziege

Wie der Bock zur Sünde kam

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Wer ist schuld? Die Frage hat wieder mal Konjunktur. Egal ob eine Regierung scheitert, ob falsches Management zu Massenentlassungen führt; oder ob eine Umweltkatastrophe Schaden anrichtet: Immer wollen alle gerne wissen, wer die Schuld daran trägt. Erst wenn geklärt ist, wer wann etwas gemacht oder nicht gemacht hat, kehrt wieder Ruhe ein. Und es ist ja auch richtig, nach Ursachen von Unrecht und Fehlern zu forschen, um sie nicht zu wiederholen.

Wenn die Schuldzuweisung die Falschen trifft

Schräg und sogar falsch wird die Suche nach den Schuldigen, wenn die Schuldzuweisung zu schnell kommt und die Falschen trifft. Das gilt für politische Zusammenhänge, wie für das Miteinander am Arbeitsplatz. Sogar von der Rollenverteilung in der Familie kennt man es: Jemand wird ausgesucht, der oder die dann die Schuld an allem bekommt.

So werden Menschen einfach zu Sündenböcken gemacht

So werden Menschen einfach zu Sündenböcken gemacht. Meistens diejenigen, die sich nicht wehren können, oder Minderheiten, Außenseiter, Randgruppen. Zum Sündenbock machen heißt: Da wird die Ursache für ein Problem auf einen Menschen geschoben, damit die Sache endlich vom Tisch kommt.

Ursprung des Begriffs Sündenbock?

Der Begriff des Sündenbocks geht auf die Bibel zurück. Auch damals gab es Probleme, die vom Tisch kommen mussten, damit das weitere Zusammenleben keinen Schaden nahm. Aber es gibt einen Unterschied. Bei dem biblischen Sündenbock ging es nicht um Menschen, denen Schuld zugeschoben wurde. Im Alten Testament wird ein Ritual beschrieben, bei dem der Hohepriester einmal im Jahr die Sünden des Volkes symbolisch auf einen Ziegenbock übertrug, und diesen dann in die Wüste jagte. (Lev 16,10) Auf diese Weise wollte man die Sünden loswerden und damit zugleich auch die Konflikte, die sich unweigerlich daraus ergeben.

Der Sündenbock als Ende des Fehlervorrechnens

Es klingt archaisch, und doch finde ich dieses Ritual beachtenswert, weil es einen Weg aus einem Dilemma zeigt. Es blockiert, wenn wir uns die einmal gemachten Fehler immer wieder vorrechnen. Es schadet, wenn ich die Mängel von gestern zum Leitfaden meines Verhaltens von morgen mache. So dreht sich die Spirale der Konflikte immer weiter.

Klar: Probleme dürfen nicht unter den Tisch gekehrt werden. Und deshalb sollen wir Schuldige auch benennen. Aber wie geht es dann weiter?

Ein klarer Schnitt

Das Ritual des Sündenbocks macht einen klaren Schnitt. Wer was gesagt, getan oder unterlassen hat wird klar benannt. Aber dann packen wir es auf einen Sündenbock und jagen es in die Wüste. Nebenbei gesagt: Lebendig und mit reellen Chancen, denn in der steinigen Wüste können Steinböcke gut leben.

Ritual für eine wirklichen Neuanfang

Das Ritual meint: Nichts verheimlichen, nichts verharmlosen, aber einen Neustart wagen. Hauptsache es werden keine Menschen zu Sündenböcken gemacht. Der Ziegenbock, den die Priester im Alten Testament in die Wüste jagten, sollte genau das verhindern: Keinen Menschen zum Sündenbock machen, stattdessen ein Ritual wählen, das eine wirklichen Neuanfang ermöglicht.

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