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Reparatur für gebrochene Herzen
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Reparatur für gebrochene Herzen

Ein Beitrag von Dr. Volker Mantey, Propst, Marburg
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Eine falsche Drehung in der Küche und da liegt sie auf dem Boden. Meine Lieblingstasse ist nicht wertvoll, aber sie hat mich über zwanzig Jahre lang begleitet. Bestimmt kennen Sie das: Es gibt Tassen, aus denen schmeckt der Kaffee besser als aus anderen. So eine Tasse war das. Jetzt liegen da fünf Scherben.

Ein Fall für "Kintsugi"

Vielleicht ist meine Tasse ein Fall für „Kintsugi“. Kintsugi ist eine japanische Methode, Porzellanscherben wieder zusammenzufügen. Aber nicht einfach so, dass man die Risse irgendwie unsichtbar macht. Für die Reparatur wird eine goldene Reparaturmasse benötigt. Die wird als Kitt zwischen die Scherben gestrichen. Auf diese Weise entsteht ein Unikat mit einem goldenen Netz aus zusammengefügten Kanten. Aus Rissen und Brüchen entsteht ein individueller Glanz – das ist die Philosophie hinter Kintsugi.

Wenn das Leben in Scherben geht, ist es nicht leicht es zu kitten

Solange es nur um ein paar Scherben geht, ist ja alles gut. Aber wenn das Leben in die Brüche geht, ist es nicht leicht, alles wieder heil zu machen. Eine goldene Füllmasse zum Beispiel für gebrochene Herzen ist leider noch nicht erfunden.

Ein bisschen Kintsugi im menschlichen Miteinander

Aber manchmal kann doch in unserem Leben wieder etwas heil werden, dass bildlich zerbrochen ist. Gerhards Mutter ist an Demenz erkrankt. Bevor die Mutter nun ins Heim musste, gingen er und seine Mutter einmal im Monat ins Theater.  Das geht jetzt nicht mehr. Aber nach vielen Besuchen im Heim sagt Gerhard : „Ich habe zu meiner Mutter in ihrer Demenz noch mal eine viel tiefere Bindung aufgebaut.“ Da blitzt für mich ein bisschen Kintsugi auf.

"Gott heilt, die innerlich zerbrochen sind, und verbindet ihre Wunden."

Und mich erinnert es an diesen Vers: „Gott heilt, die innerlich zerbrochen sind, und verbindet ihre Wunden.“ Wenn Gott diese Macht zugesprochen wird, dann müsste es ihm leichtfallen, auch mein Leben zu bewahren.

Aber Abschiede und Beziehungen, die zerbrechen, bleiben dennoch niemanden erspart. Oft ist da nichts mehr, um es neu zusammenzufügen.

Gott öffnet das Herz für Veränderungen

Wie kann Gott denn da heilen und Wunden verbinden? Vielleicht, indem er uns immer wieder das Herz öffnet für Veränderungen. So wie Gerhard, der trotz der Krankheit seiner Mutter einen neuen Kontakt zu ihr entdeckt. Oder indem Gott uns Hoffnung ins Herz pflanzt, wo eigentlich keine mehr sein sollte. So wie die Natur, die nach dem Winter neu erwacht, dürfen wir darauf hoffen, dass hinter allem Leid Gott neue Wege für uns bereithält.

Und wenn Ihnen im neuen Jahr etwas zerbricht, denken Sie an Kintsugi – und an diese Zusage: Gott heilt, die innerlich zerbrochen sind und verbindet ihre Wunden.

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