
Dreifaltigkeit - ein "kompliziertes Fest"?!
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Viele Christinnen und Christen kennen diese Formel von klein auf und sprechen sie am Anfang oder am Ende eines jeden Gebetes. In der katholischen Tradition wird dieser Gedanke an die Dreifaltigkeit oft durch ein Kreuzzeichen begleitet. Die Dreifaltigkeit hat in der Kirche sogar einen eigenen Festtag: den heutigen „Dreifaltigkeitssonntag"
Dieser Sonntag zählt zu den „Ideenfesten“
Im Kirchenjahr ist dieser Tag etwas Besonderes. Anders als andere Feste wie Weihnachten oder Ostern bezieht er sich nicht auf ein Ereignis aus dem Leben Jesu, sondern stellt eine kirchliche Glaubenswahrheit in den Mittelpunkt. Und zwar nicht irgendeine, sondern die der Lehre vom dreieinigen Gott. Deshalb wird der Dreifaltigkeitssonntag zu den sogenannten „Ideenfesten“ gezählt, die dazu einladen, besonders über einen Glaubensinhalt nachzudenken.
Wir starten in die zweite Hälfte des Kirchenjahres
Mit dem Sonntag jetzt starten wir auch in die zweite Hälfte des Kirchenjahres und lassen die Osterzeit hinter uns, das Kirchenjahr endet dann am Sonntag vor dem ersten Adventssonntag. Bei den evangelischen Glaubensgeschwistern ist dieser Tag sogar so wichtig, dass die folgenden Sonntage bis dorthin als die „Sonntage nach Trinitatis“ durchgezählt werden.
Ein Gott in drei Personen – klingt kompliziert
Quer durch die Jahrhunderte hat der Glaube an den einen Gott in den drei Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist die Theologinnen und Theologen beschäftigt. Seit dem vierten Jahrhundert haben große Bischofsversammlungen mit Begriffen und Definitionen gerungen. Ich kann es gut verstehen, wenn in unserer Zeit manche den Eindruck haben: Es ist anscheinend irgendwie ein ziemlich kompliziertes Fest, das heute im Kirchenkalender steht.
Auch die Kirchenmusik besingt den Dreifaltigen Gott
Für mich erzählt der Dreifaltigkeitssonntag aber nicht in erster Linie von Glaubensstreitigkeiten und theologischen Disputen aus früheren Jahrhunderten, sondern vor allem von Gottes Nähe. Der Glaube an den Dreifaltigen Gott wird auch in der Kirchenmusik immer wieder ganz bewusst besungen. Aus all dieser Musik zur Dreifaltigkeit hab ich heute auch die Stücke für die Morgenfeier ausgesucht.
Hier ist der Schlusschoral von Johann Sebastian Bach aus der Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“. Darin heißt es:
„Sei Lob und Preis mit Ehren / Gott Vater, Sohn, Heiligem Geist! / Der woll in uns vermehren, / was er uns aus Gnaden verheißt.“
Musik 1: Johann Sebastian Bach: Choral „Sei Lob und Preis mit Ehren“, aus: Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ (BWV 51); CD 2/5: Ruth Holton / Netherlands Bach Collegium, „Cantatas / Kantaten Vol. IX“; Label Brilliant Classics (99377/2); Track 04, 03:51
Gott offenbart sich uns in drei verschiedenen Wesensarten
Das Fest der Dreieinigkeit Gottes erinnert mich daran, dass Gott ganz vielfältig ist. Natürlich gibt es für gläubige Christinnen und Christen nur einen einzigen Gott. Aber der offenbart sich in drei verschiedenen Wesensarten: Als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist.
Gott zeigt sich uns immer wieder neu und anders
Für mich heißt das: Gott lässt sich nicht auf eine bestimmte Form festlegen. Und er lässt sich schon gar nicht in irgendeine Schublade zwängen. Seine Nähe zu uns Menschen zeigt sich immer wieder neu und anders. Und oft auch auf eine Art und Weise, die wir nicht erwartet hätten. Auf jeden Fall aber so, dass es uns und unserer Welt guttut.
Ein Lied aus dem 17. Jahrhundert besingt Gottes Vielfalt
Von Gottes Weite und Vielfalt und von seinen überraschenden Möglichkeiten, uns zu begegnen und uns seine Nähe zu zeigen, handelt das Dreifaltigkeits-Lied „Gelobet sei der Herr“. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert und steht bis heute in den meisten katholischen und evangelischen Kirchengesangbüchern.
Der Komponist Johann Olearius lebte in harten Zeiten
Geschrieben hat es Johann Olearius. Er lebte von 1611 bis 1684. Aufgewachsen ist er mit 13 Geschwistern in Halle. Sein Vater, der ebenfalls Johannes hieß, war dort Theologieprofessor und Oberpfarrer. Aber die Zeiten waren ernst. Als der Dreißigjährige Krieg ausbrach, war Johann Olearius sieben Jahre alt. Als er 11 war, sind kurz hintereinander erst seine Mutter und nur ein Jahr später auch sein Vater gestorben.
Steile Karriere im Kirchendienst - nach einem schweren Start
Lange Zeit war es nicht ganz klar, ob er weiter zur Schule gehen und erst recht später studieren könnte. Johann Olearius kam nacheinander in mehreren Pflegefamilien bei Bekannten seiner verstorbenen Eltern unter. Glücklicherweise fanden sich aber Wege, und so kam er mit 18 Jahren zum Studium nach Wittenberg. Er wurde in jungen Jahren Hochschullehrer für Philosophie und hat dann noch mit 24 Jahren das Theologiestudium draufgesattelt. Als Doktor der Theologie wartete später im Kirchendienst, ganz auf den Spuren seines Vaters, noch eine steile Karriere auf ihn. Am Dom zu Halle wurde er später Hofprediger und im Privatleben Ehemann und Vater von 15 Kindern.
Er wollte biblische Inhalte auf anschauliche Art beschreiben
Außer seinen wissenschaftlichen Büchern schrieb er mehr als 200 geistliche Lieder. Mit seinen Dichtungen wollte er den Menschen die Psalmen und andere biblische Lieder auf eine möglichst zeitgemäße, anschauliche Art nahebringen. In seinem Lied „Gelobet sei der Herr“ beschreibt Johann Olearius, wie Gott sich den Menschen gezeigt hat: als Vater und Schöpfer, als Sohn und als Heiliger Geist.
Bach verwendete Lieder von Olearius in seinem Werk
Als Johann Sebastian Bach 1726 in Leipzig eine Kirchenkantate zum Dreifaltigkeitsfest zu komponieren hatte, da verwendete er das damals schon sehr bekannte Lied von Johann Olearius dazu und behielt dessen Text unverändert bei. Hier ist sein Eingangschor auf die erste Choralstrophe. Am Anfang geht es zuerst um Gott als Vater und Schöpfer und Beschützer. Es heißt darin:
Gelobet sei der Herr
Mein Gott, mein Licht, mein Leben,
Mein Schöpfer, der mir hat
Mein Leib und Seel gegeben,
Mein Vater, der mich schützt
Von Mutterleibe an,
Der alle Augenblick
Viel Guts an mir getan.
Musik 2: Johann Sebastian Bach: Chor „Gelobet sei der Herr“ (aus: Kantate „Gelobet sei der Herr“ (BWV 129); CD: La Petite Bande / Sigiswald Kuijken, „Cantatas BWV 34 – 173 – 184 - 129“, Label ACCENT ACC 25316 (LC06618), Track 18, 04:05
Er sah das Leben als ein Geschenk Gottes
In diesem Eingangschor mit der Musik von Bach und dem Text von Olearius geht es erst mal nur um Gott, den Vater und Schöpfer. In den nächsten Choralstrophen sind dann auch der Sohn und der Heilige Geist dran – in Arien mit unterschiedlicher Besetzung. Im gesamten Lied geht es vor allem um das Lob Gottes. Nicht so sehr um die Lehre und wie genau das nun zu verstehen ist: ein Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Es geht um den einzelnen Menschen und das eigene, persönliche Leben. Johann Olearius hatte das Vertrauen, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist, das er uns gegeben hat und in dem er uns von Anfang an beschützt.
Er sieht eine sehr persönliche Verbindung zu Gott
Deshalb schlägt sein Liedtext gleich zu Beginn einen sehr persönlichen Tonfall an. Er singt mit all den Erfahrungen seiner schwierigen Startbedingungen im Leben nicht von einem allgemeinen Gott oder gelehrten Wahrheiten. Es geht um „meinen Gott“ und „mein Licht“. Er tritt so in „mein Leben“, dass es zu meiner Situation und zu mir passt.
Statt um Bücherweisheit oder philosophische Spekulation geht es um unsere Beziehung zu Gott.
Gott will mit uns in Beziehung treten
Dass Gott zu uns in Beziehung treten will, davon erzählt die ganze Bibel. Das zeigt sich außer in der Großartigkeit der Natur und der Schönheit der Schöpfung vor allem dann an Jesus Christus.
Durch Jesus macht er deutlich: Ich lasse niemanden allein
Geboren in einem Stall unter prekären äußeren Verhältnissen, wendet Jesus sich in seinem Leben ganz besonders den Leidenden und Ausgestoßenen der Gesellschaft zu und wird schließlich am Kreuz hingerichtet. Durch Jesu Lebensweg, seinen Tod und seine Auferstehung macht Gott deutlich: Er lässt niemanden allein. Egal, was in unserem Leben passieren mag. - Gott wird sich nicht zurückziehen. Durch Jesus ist das deutlich geworden.
An Jesus erkennen wir, wie Gott sich unsere Welt wünscht
An ihm können wir erkennen, wie Gott sich unsere Welt wünscht. Dafür, dass alle dazugehören und teilhaben können, soll ich mich einsetzen, so wie Jesus es getan hat. Denn Glauben hat Folgen für das Leben.
Der Heilige Geist kann „Mutbringer“ für mich sein
Dabei kann mich Gottes Heilige Geistkraft inspirieren. Durch seinen Geist, den „Lebensspender“ und „Mutbringer“, wie er manchmal auch genannt wird, kann Gott genau das geben, was ich gerade brauche: einen guten Gedanken, Trost, einen passenden Einfall, eine kreative Idee oder Zuspruch und die Nähe von Menschen.
Für Johann Olearius ist das ein Grund, sein Lied in der fünften Strophe mit dem Lob des dreieinigen Gottes und mit einem festlichen dreifachen Heilig-Ruf zu beschließen.
„Dreimal heilig“ – mehr Gott geht nicht
Jemand hat mir mal erzählt: Die biblische Sprache kennt im Hebräischen keine Wörter als Steigerungsformen von „heilig“. Man müsste stattdessen dann „dreimal heilig“ sagen, wenn man vom „Allerheiligsten“, nämlich von Gott spricht.
Und so könnte „Dreifaltigkeit“ dann heißen: Mehr Gott geht nicht. Denn dieser Gott ist überall. Es gibt keinen Ort in der Welt und keine Zeit auf dieser Erde die „gott-los“ wären.
Bach drückt das mit einem jubelnden Orchester-Concerto aus
Bach hat diesen Glauben und das „dreimal heilig“ in seiner Kantate zum Lied in den Worten von Johann Olearius für den Schlusschor in ein jubelndes Orchester-Concerto gekleidet, musikalisch ganz ähnlich wie in den abschließenden Sätzen in seinem bekannten Weihnachtsoratorium:
Dem wir das Heilig itzt
mit Freuden lassen klingen
und mit der Engelschar
das Heilig, Heilig singen,
den herzlich lobt und preist
die ganze Christenheit:
Gelobet sei mein Gott
in alle Ewigkeit!
Musik 3: Johann Sebastian Bach: Choral „Dem wir das Heilig itzt“ (aus: Kantate „Gelobet sei der Herr“ (BWV 129); CD: La Petite Bande / Sigiswald Kuijken, „Cantatas BWV 34 – 173 – 184 - 129“, Label ACCENT ACC 25316 (LC06618), Track 22, 01:34
Gott Vater soll Kraft, der Geist Stärke, Jesus Liebe geben
Auch in den Briefen des Neuen Testaments kommt die Dreifaltigkeit vor – und auch da nicht als abstrakte Lehre, sondern: als Wunsch und Segen. Gott Vater soll Kraft geben, der Geist stärken, Jesus Christus soll mit seiner ganzen Liebe bei den Menschen sein. Bis heute findet sich die Dreifaltigkeit auch besonders im Segen, Christinen und Christen segnen sich im Namen des dreieinen Gottes: „Es segne dich der allmächtige und barmherzige Gott: der Vater, und der Sohn und der Heilige Geist.“
Im Brief an die Gemeinde in Ephesus liest sich dieser Segenswunsch so:
„Ich beuge meine Knie vor dem Vater, von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde seinen Namen hat. Er gebe euch Kraft aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit, dass ihr durch seinen Geist gestärkt werdet im inneren Menschen. Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet.“(Epheserbrief, Kapitel 3, Verse 14-17)
Diesen biblischen Segen hat Heinrich Schütz 1639 in seinen „kleinen Geistlichen Konzerten“ vertont. Hier ist seine Bass-Arie „Ich beuge meine Knie“.
Musik 4: Heinrich Schütz: „Ich beuge meine Knie“ (SWV 319)“, CD: Solisten / Instrumentalisten / Wilhelm Ehrmann: Heinrich Schütz: Kleine Geistliche Konzerte (Label Cantate (C 57605); Track 7, 03:47
Gott will für mich da sein wie Vater und Mutter
Manchmal, da geht es mir im Alltag so, dass mir in allen Sorgen und allem Betrieb Gott ziemlich abwesend erscheint. Da tut mir die Botschaft des Dreifaltigkeitssonntags gut: Gott wird unglaublich kreativ, um zu mir in Beziehung zu treten: Er will mir Vater und Mutter sein, damit ich jemanden habe, zu dem ich hingehen kann, mit alledem, was mich umtreibt. Er wird in Jesus selbst ein Mensch, der als Bruder oder bester Freund alle Höhen und Tiefen eines Menschenlebens teilt und da ist. Und er kommt als Heilige Geistkraft, die nichts und niemand aufhalten kann, die neuen Schwung gibt und mich Atem schöpfen lässt, wenn ich das Gefühl habe, dass mir so langsam mal wieder die Luft ausgeht. Ich spüre diesen dreieinen Gott immer wieder auch in der wunderbaren Musik, die von diesem Gott erzählt.
Heute feiern wir einen einfallsreichen Gott, der uns nahe sein will
Auch hier zum Schluss, in einem Orgelstück von Johann Sebastian Bach über das Dreifaltigkeitslied „Wir glauben all an einen Gott“, das auf Martin Luther zurückgeht.
Der Sonntag heute feiert einen erfinderischen und einfallsreichen Gott, der sich alle Mühe gibt, damit er in meinem Leben einen Platz findet.
Musik 5: Fughetta super „Wir glauben all an einen Gott“ (BWV 681); CD 08/12: Helmut Walcha, „Bach. The Organ Works.“, Label Polydor International GmbH (463 723-2); Track 21, 01:14