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Segnen statt fluchen

Ein Beitrag von Hannah Schnegelberger, Evangelische Pfarrerin, Schlitz-Queck
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Ich sitze im Auto. Nervös schau‘ ich auf die Uhr: schon 10 vor zwei. Nur noch 10 Minuten bis zum Beginn der Trauerfeier, dann muss ich auf dem Friedhof stehen. Ausgerechnet jetzt macht die Person im Auto vor mir einer Schnecke Konkurrenz. Von Minute zu Minute werde ich nervöser – und schließlich platzt mir die Hutschnur. Ich fange lautstark an zu fluchen, was das Zeug hält: „So ein verdammter Mist! Jetzt mach mal schneller! Ich hab‘s eilig!“

Manchmal muss der Stress einfach raus

Das passiert mir oft. Wenn ich‘s eilig habe, dann muss ich meinem Stress irgendwann Luft machen. Das Auto scheint dafür ein besonders geeigneter Raum zu sein: hier hört mich ja keiner. Und dennoch: Im Nachhinein bereue ich das. Im Wagen vor mir saß vielleicht jemand, der gerne vorsichtig fährt oder sich nicht auskennt und unsicher ist. Sicherlich niemand, den ich verfluchen möchte.

Der eigene Stress macht oft blind für das Gegenüber

Egal ob im Auto oder im Supermarkt an der Kasse. Der eigene Stress macht mich oft blind für das Gegenüber. Ich bin so gefangen in den Gedanken an die nächsten Termine. Dann vergesse ich die Perspektive zu wechseln: Da ist womöglich eine Pflegerin. Sie hat eine anstrengende Nachtschicht hinter sich und möchte nur noch sicher nach Hause. Oder der alte Mann mit Parkinson, dem es schwerfällt, das Kleingeld aus dem Portemonnaie zu nehmen. Sicherlich niemand, den ich verfluchen will.

Die Augen für das Gegenüber öffnen

Ein Rat der Bibel geht so: „Segnet sie und verflucht sie nicht.“ (Röm. 12, 14) Wie geht das praktisch? Ich probiere es so: In Momenten, in denen mein Stress mich blind macht, will ich einen Schritt zurücktreten. Meine Augen für mein Gegenüber öffnen. Ich seh‘ dich, nicht nur mich. Das kann ein Segen sein – auch für mich selbst.

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