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Mit Kranken ins Gespräch kommen
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Mit Kranken ins Gespräch kommen

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Geprochen von Pfarrerin Claudia Rudolff 

Gespräche verändern sich, wenn man ernsthaft krank ist. Über Krankheit zu sprechen, ist für Betroffene schwer. Aber auch für Angehörige. Man möchte sich ja nicht gegenseitig noch mehr belasten. Zumal, wenn es dann auch noch ums Sterben und den Tod geht.

Es ist einfacher zu sagen: Es geht schon

Christoph Schlingensief, der Filmemacher und Aktionskünstler, hat nach seiner Krebsdiagnose ein Tagebuch aufgenommen. Schlingensief kam es so vor, dass es ein unausgesprochenes Redeverbot gibt. Er hat sich selbst gefragt, wie es Kranken gelingt, zu reden, ihre Gedanken und Erfahrungen mit anderen zu teilen. Er hat während seiner Krebserkrankung erlebt, dass es so einfach ist, allein vor sich hin zu wurschteln. Auf Nachfragen nur ein „geht schon, ich schaff das schon“ zu murmeln, weil im Kern niemand wirklich wissen will, wie es einem geht.

Die Krise der Krebsdiagnose habe seine Beziehung zu Gott verändert

Schlingensief hat nach neuen Wegen gesucht, um Erfahrungen zwischen Kranken und Gesunden zu teilen. Er hat über seine Erkrankung gesprochen, auf Band und in vielen Gesprächen. Er hat von seiner Hoffnung auf Heilung erzählt. Die Krise der Krebsdiagnose habe seine Beziehung zu Gott verändert. Er wunderte sich, wie schnell man sich von der Kirche abwendet, um dann plötzlich doch wieder die Kirche zu entdecken.

Trotzdem ganz nah bei uns

Kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 sprach er mit seinem alten, sehr religiösen Patenonkel. Der erzählte ihm, dass er selbst manchmal auch das Gefühl habe, von Gott verlassen zu sein. Christoph Schlingensief antwortete: „Tja, das ist eben das Paradox mit Gott. Da ist einer weg, ist nicht da, aber trotzdem ganz nah bei uns.“

„Willst du reden?“

Die Grenze seiner Lebenszeit hat er vor Augen gehabt. Er musste Theaterinszenierungen absagen. Projekte aufgeben. Ein Auf und Ab an Gefühlen und Gedanken und Zeiten des Schweigens, wenn Kranksein nicht zu viel Raum im Leben bekommen sollte. Er hat gespürt, dass das für keinen leicht zu nehmen ist, nicht für den Kranken, nicht für seine Familie und Freunde. An sich selbst hat er beobachtet, wie man so zurückhaltend wird und sich schämt, wenn man krank ist. Wie ins Gespräch kommen? Es braucht den Mut sich einander zu fragen: „Willst du reden?“       

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