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Theater – meine Rolle und ich
Bild: Alejandro Torres Beristain/Pixabay

Theater – meine Rolle und ich

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
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In meiner Freizeit spiele ich Theater. Die meiste Zeit verbringt meine Theatergruppe nicht mit Aufführungen, sondern mit Proben. Dabei geht es darum, ein Stück möglichst gut und überzeugend auf die Bühne zu bringen. Dafür müssen wir unseren Text können und unsere Rolle so gut kennenlernen, dass wir sie überzeugend spielen. Kulisse, Kostüm, Maske und Requisiten helfen dabei, dem Publikum eine Botschaft glaubwürdig zu vermitteln. Jeder weiß: Was auf der Bühne passiert, ist nicht echt, soll aber echt aussehen.

Wie es ist „jemand anders zu sein“

Immer wieder höre ich den Satz: „Theater spielen ist toll, da kann ich jemand anderes sein.“ Ja, das stimmt. Auf der Bühne spiele ich eine Figur, schlüpfe in ihre Rolle und bin damit jemand anderes.

Gleichzeitig stolpere ich auch immer wieder über diese Aussage. Denn jemand anderes bin ich nie. Ich bin immer ich: ob in der einen Rolle oder in der anderen. Alle meine Rollen sind immer geprägt von meiner eigenen Persönlichkeit, von meiner Individualität. Die Rolle wäre ganz anders, würde jemand anderes sie spielen.

Mein „Ich“ prägt die Rolle

Vielleicht bin ich mir in meinen Theaterrollen sogar selbst nähergekommen, als es ohne sie der Fall gewesen wäre. Sie alle sind Ausdruck einer Facette meiner Persönlichkeit – ob es die Kälte und Hartherzigkeit der Rolle einer Fabrikaufseherin ist oder der Mut und die Entschlossenheit einer Frau, die ihr Leben von nun an selbst in die Hand nehmen möchte.

Im Spiel kann ich immer noch ein bisschen mehr sein

Wenn ich einer Charaktereigenschaft meiner Rollenfigur begegne, dann begegne ich damit ein Stück weit auch dieser Eigenschaft bei mir selbst. Die Hartherzigkeit oder den Mut, den ich auf der Bühne zeige, sind dann nicht nur ein Teil meiner Rollenfigur, sondern auch ein Teil von mir. Die Charaktereigenschaften, die ich auf der Bühne spiele, bringen mich teilweise in Kontakt mit meinem eigenen Charakter.

Meine Rolle und ich sind miteinander verwoben und manchmal muss ich gut aufpassen, um sie noch voneinander trennen zu können. Dann nämlich, wenn ich meine Rolle mit in den Alltag nehme und mich wie meine Rollenfigur verhalte oder spreche.

Theater spielen macht, dass ich jemand anderes sein kann – und gleichzeitig macht Theater spielen, dass ich mehr ich selbst sein kann.

 

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