Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Die zwei Hälften der Fürsorge
GettyImages_Igor Alecsander

Die zwei Hälften der Fürsorge

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
Beitrag anhören:

Wenn etwas schiefgegangen ist, wird daraus oft eine Meldung: ein Unfall auf der Autobahn zum Beispiel und der Stau dazu. Nicht gemeldet wird, wie viel auf den Straßen jeden Tag gutgeht, weil die allermeisten nicht nur auf sich aufpassen, sondern auf andere gleich mit. Wäre alles, was gutgeht, eine Nachricht wert, dann wäre das Radio voll davon.

Spurenwechsel am Autobahnkreuz

So wie bei mir vor kurzem am Hanauer Kreuz: Vier Fahrspuren treffen da zusammen. Die einen kommen von rechts und wollen nach links, andere halten die Spur, wieder andere wollen von links nach rechts. Es geht munter durcheinander. Und alles muss flott erledigt sein. Wer es nicht auf die richtige Fahrbahn schafft, muss nachher einen ärgerlichen Umweg fahren.

Freundliche Begegnung mit Blicken

Zwischen einem SUV, einem Laster und vielen anderen Autos muss ich eine Spur nach rechts wechseln. Blinker rechts. Eine Kleinwagenfahrerin kommt von dort. Der dichte Verkehr spült uns aufeinander zu. Ihr Blinker sagt, sie möchte nach links. Einen Moment lang fahren wir gleich schnell nebeneinanderher. Wir schauen uns durch die Scheiben an, wach und freundlich. Ich hab das Gefühl: Unsere Blicke treffen sich und schützen uns beide. Wir tauschen sanft die Spuren. Schnell hat uns das Hanauer Kreuz getrennt. In mir bleibt die Dankbarkeit für eine kurze, aufmerksam-fürsorgliche Begegnung mit einer Unbekannten. Wir haben füreinander gesorgt und uns gegenseitig vor Schaden bewahrt.

Fürsorge hat zwei Hälften

Fürsorge hat diese beiden Hälften: Ich sorge für mich, passe auf, was ich tue und behalte zugleich das im Blick, was andere vielleicht brauchen. So gelingt das Zusammenleben.

Auf der Gegenfahrbahn fährt ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr vorbei. Auch für Einsatzprofis stimmt das, denke ich. Für andere zu sorgen, vielleicht sogar Leben retten, das ist ihre erste Perspektive. Aber auch sie brauchen die zweite Hälfte der Fürsorge, die auf sich selbst zu achten. Gerade Menschen, die in ihrem Beruf für andere da sind, müssen ihre Grenzen respektieren und dürfen nicht vergessen, auch für sich, ihre eigene Sicherheit und ihr seelisches Gleichgewicht sorgen. Fürsorge hat zwei Hälften. Wo sie sich ergänzen, gelingt das Zusammenleben.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren