Der einbeinige Jesus
Im vergangenen Oktober habe ich einen Priester in Kambodscha besucht, der in mancher Hinsicht besonders ist. Zum einen ist er der erste einheimische Priester, der nach dem Khmer Regime in Kambodscha geweiht wurde. Damals, in den 1980er-Jahren musste das noch heimlich geschehen.
Auch mit nur einem Bein: Jesus lebt Solidarität mit den Menschen
Zum anderen hat er später in Battambang, einer Stadt in Zentralkambodscha, eine Pfarrei übernommen und kurzerhand Jesus am Kreuz ein Bein abgesägt. Dieses Kreuz ist mittlerweile sehr bekannt in Kambodscha. Er hat das eben so gewollt! Und egal wo man ist in Kambodscha, von Christen wird man immer wieder auf dieses Kreuz angesprochen.
Als ich dort das erste Mal war, habe ich mich doch sehr über diese Darstellung gewundert. Im Gespräch mit dem Priester wurde mir aber deutlich, was der Sinn hinter dieser Darstellung ist. Am Anfang seiner Zeit in Battambang hat er überlegt, was seine Pfarrei ausmachen kann. Wo ist der besondere Zweck, hat er sich gefragt. Schnell sind ihm viele Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen aufgefallen, um die sich niemand gekümmert hat. Für ihn war in diesem Moment klar, dass er diese Lücke füllen möchte.
Jesus ist Mensch geworden
Der Anfang war sehr schwer und nur wenige Menschen schenkten ihm ihr Vertrauen. Erst als er das Kreuz mit dem einbeinigen Jesus zeigte, begriffen die Menschen, worum es ihm ging. Auch heute noch ist die Pfarrei dafür bekannt, dass Menschen mit Einschränkungen dort Heimat, Arbeit und Bildung finden.
Als ich ihn frage, wie er auf die Idee gekommen ist, Jesus mit nur einem gesunden Bein darzustellen, sagte er: „Jesus ist Mensch geworden, weil er sich mit uns solidarisieren wollte und ist am Kreuz gestorben, um uns durch seine Auferstehung zu erlösen. Meinst du nicht, wenn er schon sein Leben gegeben hat, würde er nicht auch noch ein Bein geben, um sich mit allen zu solidarisieren?“ Ja, denke ich, zuerst ist es wichtig, Solidarität mit den Schwachen zu zeigen, um sie zu stärken. Und Jesus hat ja tatsächlich alles gegeben, was er hatte.