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Queen: I want to break free

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Meine Freundin und ich waren gerade gemütlich Kaffee trinken und bummeln jetzt noch ein bisschen durchs Städtchen. Gleich müssen wir wieder nach Hause. Vor einem Geschäft bleiben wir kurz stehen und schauen uns die Postkarten in den Ständern an. Manche sind einfach nur schön, auf anderen sind kluge oder lustige Sprüche. Wir entdecken auch ein paar besonders witzige, die wir der anderen präsentieren und zusammen drüber lachen.

Oft fehlt Zeit für Treffen mit Freund:innen

Ich genieße das Zusammensein mit meiner Freundin. Seit wir beide Kinder haben, sehen wir uns nicht mehr so oft. Wir arbeiten beide in Teilzeit – und unsere Männer in Vollzeit, weshalb die meiste Haus- und Familienarbeit an uns hängt. Unsere Kalender sind oft prall gefüllt und die Tage ziemlich durchgetaktet. Wir haben einfach zu wenig Zeit für zweckfreie Dinge wie dieses Kaffeetrinken.

Das war eben im Café natürlich auch Thema: Wie schade das ist. Wir haben uns gefragt: Wann und wieso haben wir uns eigentlich dazu hinreißen lassen, nur in Teilzeit zu arbeiten und diese Hausfrauenrolle zu übernehmen? Klar, Geld spielt auch eine Rolle, aber wenn wir wirklich für uns eingestanden und mutig gewesen wären, wäre es bestimmt auch irgendwie gegangen.

Zeit für einen Mutausbruch

Meine Freundin guckt ein wenig ernster, als sie mir eine Postkarte vor die Nase hält. Auf der steht: „Es wird mal wieder Zeit für einen Mutausbruch.“ Mutausbruch, was für eine schöne Wortschöpfung, finde ich und lächle. Mutausbruch. Der Spruch ist gut: Witzig und tiefsinnig zugleich. Dann meint meine Freundin: „Vielleicht müssten wir auch einfach mal mutiger sein und ausbrechen aus dieser Hausfrau-und-Mutter-Rolle.“ Das klingt verführerisch, finde ich: Ausbrechen aus meinem Alltag, mich einfach frei machen von dem, was von mir erwartet wird. Dazu gehört wirklich Mut.

Musik 1 (Minute 0:40 - 1:09): 

I want to break free
I want to break free
I want to break free from your lies
You‘re so self-statisches
I don‘t need you
I`ve got to break free Gold knows, God knows:
I want to break free

(Ich will mich befreien, Ich will mich befreien, Ich will mich befreien von deinen Lügen, Du bist so selbstverliebt, Ich brauch dich nicht, Ich muss mich befreien, Gott weiß, Gott weiß: Ich will mich befreien.)

Mutausbruch: Eine Hymne von Queen

Mutausbruch. In diesem Song von Queen geht es genau darum – oder vielmehr um das, was vor dem Mutausbruch kommt: das Gefühl von Enge und die starke Sehnsucht, einfach nur raus und frei sein zu wollen.

Seit der Song 1984 veröffentlicht worden ist, haben ihn Viele als eine Art Hymne interpretiert, als ein Statement dafür, offen schwul zu leben – so, wie der Leadsänger Freddie Mercury es getan hat. Das Musikvideo sieht tatsächlich danach aus: Die komplette Band tritt hier in Frauenkleidern auf. Das hat in den 80ern für Irritation gesorgt: Manche US-amerikanischen Radioender wollten den Song deshalb gar nicht spielen und MTV hat das Video gar nicht erst ausgestrahlt. Mercury wurde mal gefragt, ob sich das Lied an die Schwulenszene richte. Dazu sagt er: "[Der Song] ist von John Deacon ... Das hat nichts mit schwul zu tun. Es ist nicht mal mein Song.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freddie_Mercury#cite_note-17)

Vielleicht kann ich mich genau deshalb so gut in dem Lied wiederfinden. Denn ich kenn das: Ich würd so gerne raus aus der Enge, dem Alltag. Die Pflichten und Erwartungen vergessen, einfach nur ich sein.

Dabei geht’s mir nicht darum, jemanden zu verlassen oder Vorwürfe zu machen, wie es im Liedtext rüberkommt. Aber ich spüre: Das kenn ich! Ausbrechen tu ich dann aber doch nicht, denn da ist ja noch etwas, das mich zurückhält:

Musik 2 (Minute 1:10 - 2:04):

I‘ve fallen in love
I‘ve fallen in love for the first time
This time I know it‘s for real
I‘ve fallen in love, yeah
God knows, God knows
I‘ve fallen in love

It‘s strange but it‘s true, hey
I can‘t get over the way you love me like you do
But I have to be sure
When I walk out that door
Oh, I want to be free, baby
Oh, how I want to be free
Oh, I want to break free

(Ich hab’ mich verliebt, Ich hab’ mich zum ersten Mal verliebt, Und diesmal wusste ich: es ist echt. Ich hab’ mich verliebt, ja, Gott weiß, Gott weiß: Ich hab’ mich verliebt.

Es ist seltsam, aber wahr: Ich kann einfach nicht fassen, wie du mich liebst.Aber ich muss mir sicher sein, Wenn ich durch diese Tür gehe, Oh, will ich frei sein, Baby, Oh, wie frei ich sein will, Oh, wie ich mich befreien will.)

Die Liebe hält mich zurück

Genau. Das, was mich zurückhält, ist Liebe. Und zwar die Liebe, die ich zu Hause erfahre: Ich liebe meinen Mann und meine Kinder wahnsinnig! Und sie lieben mich! Manchmal kann ich das wirklich kaum fassen, da geht es mir wie dem Sänger im Lied.

Musik 3 (Minute 3:07 - 3:41):

But life still goes on
I can't get used to living without, living without
Living without you by my side
I don't want to live alone, hey
God knows, got to make it on my own
So, baby, can't you see I've got to break free?

I've got to break free
I want to break free, yeah

I want, I want, I want
I want to break free

(Aber das Leben geht weiter, Ich kann mich nicht daran gewöhnen, ohne dich, ohne dich, ohne dich an meiner Seite zu leben, Ich will nicht allein' leben, hey Gott weiß: Ich muss es alleine schaffen.

Also, Baby, kannst du's nicht sehen, Ich muss mich befreien. Ich muss mich befreien, Ich will mich befreien, Ich will, ich will, ich will, ich will mich befreien.)

Das Leben geht auch nach einem Mutausbruch weiter

Das Leben geht weiter. Da sind Menschen, die ich liebe, die mich brauchen und die ich brauche. Die verlasse ich nicht – auch, wenn das für mich weniger Freiheit bedeutet.

„Gott weiß: Ich muss es alleine schaffen“ heißt es im Song – und da bleib ich hängen. Ich versteh das nicht in dem Sinn: Ich hab niemanden, der mir hilft. Sondern ich glaube: Ich muss erstmal bei mir bleiben. Ich überlege: Was brauch ich, um mich frei zu fühlen? Die Lösung dazu liegt, glaube ich, zuallererst nicht im Außen, sondern in meinem Innern.

Denn ehrlich gesagt: Da ist einiges, das mich einengt, das spür ich ganz deutlich: Alte Glaubenssätze und Überzeugungen davon, wie ich zu sein und was ich zu tun habe. Vor allem sind da die Erwartungen an mich selbst: Ich will immer alles besonders gut machen, mittelmäßig reicht mir oft nicht. Natürlich scheitere ich immer wieder daran – dann fühl ich mich schuldig, traurig und: unfrei.

Mein Mutausbruch ermutigt mich nicht perfekt sein zu müssen

Ich glaube: Mein Mutausbruch fängt erstmal bei mir an – oder wie es im Song heißt: „Ich muss es alleine schaffen“. Ich fass mir ein Herz und stell mich meinen inneren Blockaden. Zum Beispiel: Meinem Anspruch, immer für alle, die mich brauchen, da sein zu müssen. Meiner Annahme, dass man mich mehr liebt, wenn ich meine Aufgaben überragend gut erledige. Ich schau mir diese Dinge an und dann: lass ich sie gehen, lass sie frei.

Das ist leichter gesagt als getan, ich weiß. Aber ich hab eine Idee, wie ich es hinkriege: Statt mir immer eine „1“ geben zu wollen für das, was ich leiste, könnte ich mich doch auch locker mit einer „3“ zufrieden geben. Das ist immer noch mehr als „ausreichend“ – und auch das ist völlig ok. Selbst ein „mangelhaft“ oder „ungenügend“ verkraften doch alle mal.

Dieses neue Mindset hilft mir: Es holt mich aus meinem engen Perfektionismus raus und macht mir Mut, einfach ich selbst zu sein: unperfekt!

Ich merke: Mein Mutausbruch soll nicht bei mir stehen bleiben. Ich werde mit meinem Mann über das reden, was mich umtreibt und mit ihm zusammen schauen: Wie können wir die Verantwortung für unser „Team Familie“ noch gerechter aufteilen? Damit ich mich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich freier fühle.

Was mir außerdem hilft: Die Erinnerung daran, dass mich meine Familie genau so liebt, wie ich bin, mit allen Macken. Und selbst, wenn diese Menschen aus irgendeinem Grund mal damit aufhören sollten, glaube ich fest: Da ist noch jemand, der mich so liebt, wie ich bin, nämlich: Gott. Wenn Gott mich nicht genau so gewollt hätte, wie ich bin, wäre ich ganz anders. Bin ich aber nicht. Ich spüre: Dieser Glaube macht mich frei. Frei davon, irgendwelche Rollen perfekt erfüllen oder alles alleine schaffen zu wollen.

Wenn ich so geliebt werde, von meiner Familie und von Gott, dann kann ich das ja vielleicht auch. Ich fang gleich mal damit an: Ich nehm mir jetzt die Freiheit, lass alles stehen und liegen und ruf meine Freundin an: „Zeit für einen Mutausbruch“, sag ich zu ihr. „Lass uns Kaffee trinken gehen.“

Musik 4 (Minute 3:43 - Ende):

I've got to break free
I want to break free, yeah

I want, I want, I want
I want to break free

(Ich muss mich befreien, Ich will mich befreien, Ich will, ich will, ich will, ich will mich befreien.)

 

Text: Queen

Übersetzung: Anke Jarzina

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