
Aufbrechen im Februar 2025
Heute ist ein Tag des Aufbruchs. Jedenfalls in der christlichen Tradition. In manchen Gegenden in Deutschland wird das noch praktisch sichtbar. Heute werden die letzten Weihnachtsbäume abgebaut. Was, werden manche jetzt staunen, heute? Unserer ist schon lange abgeholt. Dass die letzten Bäume bei manchen so lange stehen, liegt an einer alten biblischen Geschichte.
40 Tage warten
40 Tage musste eine jüdische Mutter warten, bis sie nach der Geburt eines Sohnes wieder ins öffentliche Leben zurückkehren konnte. Also auch Maria. 40 Tage nach Weihnachten hieß: Besuch im Tempel, die Zeit mit dem Neugeborenen ist zu Ende, der Aufbruch mit dem Baby beginnt. „Mariae Lichtmess“ steht dafür am 2. Februar in den Kalendern. Und in vielen Jahrhunderten seither war der 2. Februar tatsächlich ein Tag des Aufbruchs. Bauern gingen wieder raus aufs Feld für die ersten Arbeiten im Freien. Alle Knechte und Mägde wechselten die Stelle oder schlossen per Handschlag einen neuen Jahresvertrag. Bis zum 2. Februar nächstes Jahr.
Anlässe zum Aufbrechen sind etwas Gutes
Für viele Menschen heute ist davon nur ein leiser Hauch zu spüren. In den Schulen endete am Freitag das Halbjahr: Auf in die zweite Halbzeit bis zu den Sommerferien!
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil ich Anlässe zum Aufbrechen grundsätzlich gut finde. Wenn die Tradition dafür Anlässe bietet, umso besser.
Vielleicht verbinden wir das heutzutage stärker mit Neujahr, dem 1. Januar. Aber der hat auch Nachteile. Da brummt der Kopf von der Silvesternacht. Vielleicht ist das Herz noch mit den zurückliegenden Feiertagen beschäftigt.
Die Frage für heute: Wie schauen wir in die Zukunft
Ganz anders am 2. Februar. Blick voraus: Das Licht kann kommen, die Tage werden länger, interessante Themen liegen vor uns: Zuerst kommt die Wahl und eine Woche später schon Fastnacht. Das kann ja heiter werden! Darum finde ich, dass der 2. Februar heute gerade recht kommt, um zu fragen: Wie schauen wir in die Zukunft? Persönlich und politisch? Die biblische Geschichte, die zum heutigen Tag gehört, erzählt etwas vom Vorausschauen, von klarer Sicht und Aufbruchstimmung.
Maria und Josef mit Jesus bei Simeon
40 Tage nach der Geburt Jesu brechen Maria und Josef auf und gehen in den Tempel. Sie nehmen teil am öffentlichen Leben. „Mariae Lichtmess“ heißt dieser 40. Tag nach Weihnachten. Heute, am 2. Februar. Was passiert im Tempel? Der Evangelist Lukas erzählt vom alten Simeon. Das war ein Mann, dem sein Gottvertrauen das Wichtigste war im Leben. Er hatte ein inneres Gespür, den verheißenen Messias, die Zukunft Israels, noch mit eigenen Augen zu sehen.
Ein besonderer Morgen, ein besonderer Moment, ein besonderes Kind
Und als er an diesem Morgen Maria und Josef mit dem Jesuskind erblickt, ist er überzeugt: Der ist es! In diesem Kind sehe ich die Zukunft, die Gott für uns offenhält. Ein besonderer Morgen, ein besonderer Moment, ein besonderes Kind. Lukas erzählt: „Da nahm er ihn in die Arme und lobte Gott.“ Simeon hat schon dem Ende seines Lebens entgegengeschaut. Aber heute schaut er ganz auf die Gegenwart.
Ich glaube, das kann jeder Mensch nachvollziehen, der ein so junges Kind im Arm hält wie damals Simeon. Natürlich sind eigene Kinder und Enkel und Nachbarskinder alle besonders. Aber zum Glück ruht auf ihnen nicht die Hoffnung der ganzen Welt. Ich bin gerade Opa geworden. Das lässt mich anders in die Zukunft schauen als vorher. Aber ich überschätze meinen Enkel auch nicht. Ich wünsche ihm viel Gutes, aber er muss die Welt nicht retten.
Er ist geboren für alle Menschen und wird ihnen Licht und Leben bringen
Im Unterschied zu allerlei kleinen Kindern, die Simeon in seinem Leben schon gesehen haben dürfte, singt er ein besonders Lob Gottes an diesem Morgen: Nun kann ich in Frieden sterben, denn ich habe den Heiland gesehen. Er ist geboren für alle Menschen und wird ihnen Licht und Leben bringen. Simeon schaut nicht nur auf das Kind, das er gerade im Arm hält. Er sieht Zukunft, er selbst, der alte Mann, bricht auf zu neuer Hoffnung. Simeon schaut auf das Kind und erkennt in ihm eine Gestalt, die Menschen auf allen Kontinenten und zu allen Zeiten Gott sichtbar nahebringen wird. Ich finde diese Geschichte großartig, weil sie mit Zuversicht in die Zukunft schauen lässt.
Aufbruch zu neuen Gedanken, zu neuer Hoffnung.
Sehen und erkennen, das sind zwei unterschiedliche Vorgänge. Ich sehe meinen Enkel und erkenne, was für tägliche Wunder geschehen, wenn ein Kind sich entwickelt. Simeon sieht den kleinen Jesus und erkennt, dass in dessen Leben Kraft und Weisheit steckt für zahlreiche Menschen in aller Zukunft. Simeon und ich sehen beide ein kleines Kind. Und wir erkennen unterschiedliche Größenordnungen. Er ist begeistert. Und ich bin erleichtert. Wir beide brechen auf zu neuen Gedanken, zu neuer Hoffnung.
Er wird als alter Mann von Gott selbst angeschaut
Und noch etwas steckt in dieser Geschichte: Mit 40 Tagen können Babys den Blick erwidern. Das ist ein Wahnsinnsmoment, wenn ein Kind dir in die Augen schaut. Wie muss Simeon das erst empfunden haben: Er wird als alter Mann nicht nur von einem Kind angeschaut, sondern von Gott selbst. Davon ist er überzeugt. Sehen und gesehen werden: Das ist eine motivierende Erfahrung in der Begegnung mit Gott.
Der alte Simeon fühlt sich von Gott angeschaut durch das Kind in seinen Armen. In meinem Alter kann ich in Frieden in die Zukunft schauen, denkt er. Mehr geht nicht.
Anschauen - ein Akt des Vertrauens
Umgekehrt ist das für jedes Kind so notwendig, um sich zu entwickeln und Vertrauen zu fassen: dass es gesehen wird. Dass die Eltern ihm in die Augen schauen. Angesehen werden. Hoffentlich liebevoll und mit einem Lächeln. Und das Kind lernt zurückzulächeln. Anschauen ist ein Akt des Vertrauens.
Jesus hat Menschen entdeckt und bewusst angeschaut
Leider gehört auch das zu unserer kirchlichen Vergangenheit, dass wir diesen intimen Akt des Vertrauens zu einem Kontrollinstrument gemacht haben. Gott sieht alles! hat man Kindern vieler Generationen eingebläut und ihnen den Kontakt mit Gott vergiftet. Gott als eine Art „Big Brother“, ein Überwacher. Schrecklich. Bei manchen Traditionen bin ich froh, dass wir sie weitgehend überwunden haben. Ich frage mich immer, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Jesus hat doch so ganz anders vom Blick Gottes, vom Sehen und vom Vertrauen erzählt. Und er hat es anders gelebt. Ich denke an die Geschichten der Bibel, wo Jesus Menschen entdeckt und bewusst angeschaut hat, die von anderen beiseitegedrängt worden waren. Der blinde Bartimäus zum Beispiel auf dem Markplatz. Er hat ihn zu sich gerufen, angeschaut und mit ihm geredet. Ihm im öffentlichen Raum Ansehen verschafft. Bartimäus wird gesehen und bricht auf in eine andere Zukunft.
Wir alle möchten gesehen werden, in unseren Lebenslagen, Sorgen und Anliegen
Ist es nicht das, was wir uns auch heute wünschen, für diesen Februar? Im Blick auf die Bundestagswahl wollen wir alle gesehen werden in unseren Lebenslagen, Sorgen und Anliegen. Jedem denkenden Menschen ist klar, dass nicht alle Wünsche und Versprechen erfüllt werden können, die in diesen Tagen abgegeben werden. Aber wir hoffen doch, dass gemeinsame Themen und Sorgen gesehen und erkannt werden von denen, die für den Bundestag kandidieren. Realistisch.
Gegenseitig Ehrlichkeit und Respekt zeigen
Gesehen werden und neu sehen lernen: so wünsche ich mir Aufbruchstimmung jetzt: Dass wir von denen, die bei der Wahl am 23. Februar kandidieren, gesehen werden. Und dass wir sie auch sehen und ihr Engagement anerkennen.
Beiderseits mit Ehrlichkeit und Respekt. Gerade wenn wir unterschiedliche Positionen vertreten.
Wer von Jesus angeschaut wird, kann andere nicht hassen oder bedrohen
Das klingt wie ein frommer Wunsch. Und das ist er auch. Ich bin überzeugt, dass der lebendige Jesus Christus, der sich vor über 2000 Jahren auf der Erde sehen ließ, uns auch heute so anschaut, dass wir Gottes Wertschätzung erfahren können.
Weihnachten ist vorbei, doch Jesus lebt in unserer Mitte. Wer von Jesus angeschaut wird, kann andere nicht hassen oder bedrohen. Simeon und Bartimäus sind nach ihrer Begegnung mit Jesus neu aufgebrochen. Heute sind wir dran. Mal sehen, was draus wird. Ich bleibe hoffnungsvoll.