
Vom Mut sich zu ändern
Zum Foto: Hier konnten Sie bis 20. Februar ein Foto von Cat Stevens sehen. Aus Rechtegründen können wir es nur sechs Wochen nach Ausstrahlung des Beitrags zeigen.
„Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern.“ Das sagen manche, die ihre Meinung geändert haben. Ein flott-ironischer Spruch für etwas, das eigentlich ganz schön heikel ist. Menschen ändern selten ihre Meinung. Meistens hat man seine Ansichten gut eingeübt und oft wiederholt. Man weiß sich mit ihnen unter Freunden gut eingebettet. Wer seine Meinung ändert, ändert auch sich selbst. Das kostet viel Kraft. Und man muss es auch noch etlichen Leuten erklären. Nicht selten erntet man dafür Kritik, oder verliert sogar Freunde.
Umdenken kann Hoffnung geben
Dabei ist es eigentlich logisch, dass man sich im Laufe seines Lebens auch mal neu orientiert. Man lernt dazu, man wird älter, man macht etwas durch. Das verändert die Perspektiven. Also auch die Meinungen. Darin steckt für mich Hoffnung. Das gilt auch für Menschen, die etwas Dummes denken oder getan haben. Oder vielleicht sogar etwas wirklich Verwerfliches. Solche Menschen werden leicht abgeschrieben. Doch man sollte niemanden für immer abschreiben.
Liebe und Barmherzigkeit als Kraftquelle für Veränderung
Jesus tut das nicht. Er handelt nach dem Prinzip: „In jedem Menschen gibt es einen liebenswerten Kern.“ Deshalb geht er auch zu denen, die von anderen abgeschrieben werden. Er folgt ihnen sogar nach Hause und feiert mit ihnen. Weil er ihnen zutraut: Sie können sich verändern und wollen das vielleicht sogar. Jesus gibt ihnen eine neue Chance. Tief in ihnen erkennt er ihre Sehnsucht nach Liebe und nach Barmherzigkeit. Beides sind Kraftquellen für Veränderung. Menschen sind eben immer mehr als das, was man von ihnen gerade sieht. Sie können auch anders werden.
Auch ich habe meine Schubladen für Leute
Das imponiert mir. Gleichzeitig stellt es mich erheblich in Frage. Denn auch ich habe meine Schubladen für Leute, die ich für unmöglich halte oder gar für gefährlich. Die ich abgeschrieben habe. Einer davon ist Cat Stevens, begnadeter Folkrock-Sänger meiner Jugend. Damals war er ein großer Popstar. Dann ist er zum Islam konvertiert - 1977. Das ist okay. Dass er sich danach Yusuf Islam nannte, fand ich befremdlich. Etwas übertrieben fand ich auch, dass er seinen sechs Kindern den Zweitnamen Islam mitgab. Aber ich weiß schon: Menschen, die sich einer anderen Religion zuwenden, müssen diese oft erst einmal 150- prozentig leben. Aber eines habe ich Cat Stevens alias Yusuf Islam nicht verziehen: Er hielt einen offiziellen Mordaufruf gegen den Schriftsteller Salman Rushdie für richtig. Damit war er bei mir unten durch! Zumindest für lange Zeit.
Man sollte niemanden ein für alle Mal abschreiben
Aber wie gesagt: Man sollte niemanden ein für alle Mal abschreiben. Darüber singt er in seinem neuesten Album einen Song mit dem Titel „Things“, also „Dinge“. Er beginnt mit diesen Sätzen: „Die Dinge ändern sich ständig. Die Dinge bewegen sich immer weiter. Und wo sie enden, wer kann das schon sagen?“
Musik: Things always change, oh oh. Things always moving on their way, whoa whoa. And where they end, who can say?
Vom Popstar zur muslimischen Identität
Heute ist Yusuf alias Cat Stevens ein älterer Herr mit grauem Bart und weißen Haaren, dazu ein gütiger Blick und sanftes Lächeln. Als er jung war – und ich auch, da fand er die richtigen Töne für meine Generation, für die Sehnsucht nach einem Leben mit mehr Mitmenschlichkeit. Doch dann hörte er auf populäre Musik zu machen und widmete sich ganz seiner neuen muslimischen Identität.
Ein einschneidendes Erlebnis veränderte sein Leben
Ein solch fundamentaler Richtungswechsel fällt nicht vom Himmel. Menschen ändern sich nicht so leicht. Meist benötigen sie dafür ein einschneidendes Erlebnis. So war es auch bei Cat Stevens. Beim Schwimmen im Meer wäre er fast ertrunken. In höchster Not begann er, zu Gott zu beten. Er versprach: Ich widme ab jetzt Gott mein Leben. Schließlich spülte ihn das Meer doch noch an Land. Für ihn war das der Beginn einer neuen spirituellen Reise. Er las den Koran. Das funkte bei ihm. Er wollte in seinem neuen islamischen Umfeld ankommen und anerkannt werden. Dafür machte er sich manches zu eigen, was ich inakzeptabel finde. Zum Beispiel gab er Frauen nicht mehr die Hand. Und noch viel dramatischer: Er hielt die Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie für richtig. Er unterstützte also den Aufruf des Religionsoberhauptes des Irans den Schriftsteller zu ermorden. Salman Rushdie hatte ironische Verse über den Propheten Mohamed veröffentlicht und damit Teile der muslimischen Welt gegen sich aufgebacht.
Yusuf Islam änderte seine Haltung
Doch Yusuf Islam ehemals Cat Stevens lernte dazu. Er änderte seine Meinung und seine Haltung. Er nahm sein dummes und gefährliches Geschwätz von vorher zurück. Er engagierte sich in vielen sozialen Projekten gegen Armut - sowohl in seiner Heimatstadt London als auch international im Auftrag der UNO. Er baute Brücken im interreligiösen und interkulturellen Dialog.
Cat Stevens alisa Yusuf Islam erhielt viele Ehrungen
Viele haben seine Entwicklung wahr- und ernstgenommen. Die englische Regierung holte ihn 2007 als Berater für religiöse Fragen. 2009 erhielt er den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für sein vielfältiges humanitäres Engagement. Das sind nur zwei Beispiele von vielen Ehrungen. Und ich? Ich begann wieder seine Musik zu hören. Denn seit 2006 macht er wieder das, was er am besten kann: Musik. Über das, was ihn umtreibt: Dazu gehört nun die Suche nach Gott.
Über den Glauben zurück zu Musik
In seiner neuen CD singt er auch gegen das an, was er selbst früher betrieben hat – was er aber auch persönlich erlebt hat: das Abgestempelt werden. Stattdessen wirbt er um Verständnis für die, die sich im Leben verändern, häuten, dazulernen. Und er plädiert dafür, andere nicht so schnell in Schubladen zu stecken. Dazu singt er im Song mit dem Titel „Things“ diesen Refrain: „Denn es steht uns nicht zu, über das zu urteilen, was wir nicht sehen. Und es ist nicht an uns zu sagen, wie das Leben sein wird. Nur Gottes Wille ist unausweichlich.“
Musik: 'Cause it's not for us to judge what we don't see. And it's not for us to say what life will be. Only God's will is inevitably. Oh...
Warnung vor Vorurteilen und Schubladen-Denken
Yusuf warnt nun vor dem Verurteilen, vor dem Schubladen-Denken. Ich möchte das beherzigen. Auch praktisch anwenden auf Leute, die mir krumm gekommen sind. Die Fehler gemacht haben. Oder die aus meiner Sicht in die Irre gegangen sind. Mir scheint das gerade jetzt wichtig zu sein, in Zeiten des Wahlkampfs. Weil politisch anders Denkende in diesen Zeiten schnell für dumm erklärt werden. Gespräche werden oft eher verweigert als gewagt.
Das ist das Konzept Jesu: Verändere Menschen durch Liebe
Da tut es gut, etwas mehr von dem zu tun, was Jesus gelebt hat. Er hat niemanden abgeschrieben. Denn er hat daran geglaubt, dass Menschen sich verändern können. Wenn man sie lässt. Wenn man in ihnen einen guten Kern voraussetzt. Ja, pathetisch gesprochen: Wenn man ihnen mit Liebe begegnet. Das ist das Konzept Jesu: Verändere Menschen durch Liebe. Ein hartes Stück Arbeit mit langem Atem, ich weiß. Aber andere Wege führen wohl nicht zum Ziel. Es sei denn, Gott selbst nimmt die Menschen hart heran. So hat es Cat Stevens gedeutet, als er im Meer fast ertrunken wäre.
Alle haben ihre hellen und dunklen Seiten
Ich möchte mir ein Stück von der Barmherzigkeit von Jesus zu eigen machen: Menschen ermöglichen, andere zu werden. Und andere Seiten an sich zu finden. Kein Mensch ist nur dumm, nur böse. Und umgekehrt: Kein Mensch ist nur gut und edel. Alle haben ihre hellen und dunklen Seiten. Man sieht nur unterschiedlich viel davon. Das Helle zu stärken, darum geht es. Im Glauben und im menschlichen Miteinander.
Das gilt übrigens auch im Umgang mit mir selbst und meinen Meinungen. Ich bewege mich ebenfalls zwischen hell und dunkel. Gut, wenn ich mir erlaube, manchmal Dinge neu zu sehen und zu machen.
Sehnsucht nach Liebe und Barmherzigkeit – bei den Menschen und bei Gott
Bei Yusuf ist das geschehen. Zwar bin ich auch heute noch nicht mit allem einverstanden, was er denkt und tut. Aber unterwegs auf seiner geistlichen Lebensreise hat er eines offenbar verstanden: Der Kern seines Glaubens besteht nicht aus den kulturellen Aspekten und Anschauungen, die vielen unangenehm aufstoßen. Oder sogar Recht und Gesetz entgegenstehen, wie eine Benachteiligung von Frauen. Der Kern besteht schon gar nicht darin, Religion für Morde an Andersdenkenden zu missbrauchen. Den Kern des Islam findet Yusuf eher in einer tiefen Spiritualität, in einem persönlichen Verhältnis zu Gott. Das verleiht dem Leben Wert, Sinn und Ziel. Inzwischen spielt Yusuf ehemals Cat Stevens versöhnliche Musik über seine spirituelle Suche. Die kann ich als Christ gut hören. Denn seine Musik kreist um den gemeinsamen Kern. Das ist die Sehnsucht nach Liebe und Barmherzigkeit – bei den Menschen und bei Gott.
Musik
Quellen zum Thema:
www.alltagsforschung.de/so-soll-es-bleiben-warum-wir-ungern-unsere-meinung-andern/