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Über den Wolken
Foto: stock.adobe.com/EKH-Pictures

Über den Wolken

Katrin Wienold-Hocke
Ein Beitrag von Katrin Wienold-Hocke, Evangelische Pröpstin, Sprengel Kassel
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hr4 Gottesdienstübertragung an Pfingstmontag , 9. Juni 2025, 10.04 – 11.00 Uhr aus der evangelischen Karlskirche in Kassel 

Im Radio oder im Livestream https://www.hr4.de/index.html

Nach dem Gottesdienst können Sie mit Pröpstin Katrin Wienold-Hocke telefonieren: Sie ist von 11.00 bis 12.00 Uhr unter der Telefonnummer 0561 9378151 zu erreichen.

Predigt von Pröpstin Katrin Wienold-Hocke und Pfarrer Björn Henkel

Katrin Wienold-Hocke 
Über den Wolken. Wenn Reinhard Mey ein Konzert gibt, gehört dieses Lied dazu, seit mehr als 50 Jahren.  Es ist ein Volkslied geworden, so gern und oft wird das gesungen. Das Lied zaubert mir ein beschwingtes Lächeln ins Gesicht – die grenzenlose Freiheit über den Wolken, das ist mein Traum!

Fliegen - ein Kindheitstraum von Reinhard May

Für den Sänger war es ein Kindheitstraum, einmal wirklich Flugstunden zu nehmen. Aber weil der junge Reinhard Mey im geteilten Berlin aufwuchs, konnte sein Wunsch sich dort nicht erfüllen.

Als Erwachsener lernte er dann jemanden aus Wilhelmshaven kennen. An dem kleinen Flughafen dort hat er tatsächlich seine Pilotenlizenz erworben und währenddessen sogar am Flughafen gewohnt.  Im Jahr darauf hat er das Lied geschrieben, im Studio aufgenommen, und es hat sofort Menschen begeistert. Weil die Erfahrung so zugänglich und so himmlisch zugleich ist.

Eine himmlische Erfahrung kann man auch auf dem Gipfel eines Berges machen

Ich brauche dafür keinen bebenden Asphalt und auch kein Flugbenzin, nur ein paar feste Wanderschuhe und einen Berg. Wenn ich schnaufend oben ankomme, ist das Erlebnis umso intensiver. Ich atme tief durch. Auf dem Gipfel bin ich im Himmel, Blau und Wolken, um mich herum - grenzenlos.

Ganz tief unten im Tal sind Felder, Häuser, winzige Menschen zu sehen.  So weit weg ist mein Alltag im Gewimmel, mit seinen Sorgen. Hier oben bin ich Gott so nahe. Schwerelos. Aufgehoben in Gottes grenzenloser Güte, von der der Psalm singt, den wir vorhin gehört haben: „HERR, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen“.

Fahrrad fahren macht frei

Endlich frei. Ich fahre wieder mit dem Fahrrad, erzählt mir strahlend eine Kollegin. Seit sie im Ruhestand ist, fühlt sie sich wie damals, als junge Frau, mit Rückenwind und wippenden Locken. Sie ist dem Alltag in ihrem Büro im dritten Stock entronnen. Über den Wolken…unzählige Male wurde das Lied umgedichtet, zum Abschied vom Berufsleben passt es doch großartig. Was für eine wunderbare Freiheit ist das, jetzt Zeit zu haben.

Sehnsucht nach politischer Freiheit

Reinhard Meys Lied weckt auch die Sehnsucht nach politischer Freiheit, nach Reisefreiheit und Selbstbestimmung.  In der DDR war es verboten, und doch verbreitete es sich über die Grenzen hinweg; Violetta hat von solchen Einschränkungen in Polen auch vorhin erzählt. Lieder und Gedanken sind eben frei, Träume kann man nicht begrenzen. Und der Himmel über mir ist überall grenzenlos.

Björn Henkel
In der 5. Klasse haben wir das Lied rauf und runter gesungen.
Das ist jetzt 25 Jahre her. Aber ich erinnere mich noch genau an das Gefühl: Freude. Lust an Freiheit. Als Kind war das ganz einfach: Freiheit – die kam nach den Hausaufgaben. Da konnte ich tun und lassen, was ich wollte.

Die Freiheit kam nach den Hausaufgaben

Wir Kinder aus dem Dorf haben uns getroffen. Und dann war es auch ein bisschen so, als wären wir wirklich über den Wolken. Die Zeit verging wie im Flug.

Wovor wir uns Sorgen gemacht haben – ich weiß es nicht mehr.
Wir lebten einfach so in den Tag hinein. Noch heute verbinde ich dieses Gefühl mit dem Duft von frisch gemähtem Gras. Und damit wie die Haut riecht, wenn ich den Tag in der Sonne verbracht habe.

Eine Zeit, in der alles, was mir heute so groß und wichtig erscheint, letztlich eines war: winzig und klein.

Ein Lied über die Sehnsucht nach Freiheit

Was mir damals nicht klar war: „Über den Wolken“ ist kein Lied vom Fliegen. Sondern eins von der Sehnsucht nach Freiheit. Und vielleicht auch von dem Wunsch: einfach mal weg. Raus aus allem.

Heute weiß ich, wie schnell der Alltag diese Leichtigkeit zudeckt. Mit Terminen. Verpflichtungen. Mit Gedanken, die kreisen. Und Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Wegfliegen und alles hinter mir lassen. Über den Wolken - eben - da bleiben verborgen alle Ängste alle Sorgen. Ja, manchmal wünschte ich, es ginge so einfach.

Aber das Leben hält mich am Boden. Und dann hebe ich den Blick.

Manchmal hilft genau das: Durchatmen. Und sie für einen Moment zu spüren: Die grenzenlose Freiheit.

Musik: Improvisation für Querflöte und Orgel

Katrin Wienold-Hocke 
Mit Jesus hatten seine Freundinnen und Freunde eine Freiheit erlebt, die sie nicht einmal erträumt hatten. Die Fischer am See hatten ihre Netze liegenlassen und waren mit ihm aufgebrochen- in das Reich Gottes, in ein Leben ohne Unrecht und Unterdrückung.

Mit Jesus waren die Jünger und Jüngerinnen nahe bei Gott

Auf dem Weg mit Jesus haben sie erlebt, wie nahe Gott war, den Himmel auf Erden in der Wüste, am See, in den Dörfern. Wie Jesus Menschen geheilt und aufgerichtet hat, die kaum mehr atmen konnten. Wie er ihnen die Augen geöffnet hat und ihre bösen Geister vertrieben.

Sorget nicht, hat er gesagt. An seiner Seite war das so leicht, jeden Tag für sich zu nehmen. Sie haben sich von ihm senden lassen und den Traum geteilt von Gottes Gerechtigkeit und Frieden, für die Armen zuerst.

Ein gefährlicher Traum war das für die Mächtigen, darum ist Jesus gekreuzigt worden. Ausgeträumt.

50 Tage nach Jesu Tod befreit Gottes Geist sie von ihrer Trauer

So saßen die Jünger 50 Tage nach seinem Tod an Pfingsten zusammen, traurig und mutlos. Bis der Geist Gottes sie ergriff. Der Himmel tat sich auf über ihnen, da, wo sie waren. Sie spürten, dass Jesus weiter an ihrer Seite war, lebendig, in dieser Freiheit, zu hoffen, zu wagen und zu träumen. Das Reich Gottes beginnt jetzt. Gottes Geist befreit sie von ihrer Trauer. Sie haben wieder Mut, sich für andere einzusetzen. Diese Begeisterung und ihren Glauben haben die Jünger geteilt. Der Funke sprang über, an Pfingsten, in einem großen Fest.

Björn Henkel
Mit diesem Fest beginnt die Geschichte der Kirche. Als einer Gemeinschaft, die sich in dieser Freiheit verbunden weiß.

„Steht fest in der Freiheit!“

„Steht fest in der Freiheit!“ Dazu ermutigt der Apostel Paulus seine Gemeinde.
Und mahnt zugleich: „Lasst euch nicht wieder einengen.“

Ich wünschte, ich könnte hören, wie Paulus damals über die „herrliche Freiheit“ der Kinder Gottes gesprochen hat. Mit Leidenschaft –weil er erlebt hat, wie überwältigend Gottes Liebe ist. Grenzenlos-weil sie jedem Menschen gilt.

Mit Freude und Lust – weil diese Freiheit auch sein Denken befreit hat. Was auch immer ihm damals passiert ist, in diesem einen Moment voller Licht: Es hat ihn verändert. Als wäre sein Leben plötzlich freier. Und leichter.

Frei sein - auch im Denken über Gott

Frei – auch in seinem Denken über Gott. Denn: Gott lässt sich nicht einsperren.
Nicht in Regeln. Nicht in Riten. Gottes Geist weht, wo und wann er will. Dieses Erlebnis war sein Glück. Und seine Botschaft.

Denn vielleicht ist es genau das, was passiert, wenn wir Gott begegnen: Wir spüren die „herrliche Freiheit“ der Kinder Gottes. Mit Leidenschaft hat Paulus seine Botschaft weitergegeben. Mit Freude. Wer davon hörte, war begeistert. Und diese neue Freiheit – die war überall spürbar.

Menschen kamen zusammen. Um von Jesus zu erzählen. Um das Leben zu teilen. Um gemeinsam das Brot zu brechen. Eine neue himmlische Realität. Hier unten auf dem Boden, auf dem wir stehen. Geprägt von Freiheit. Und von Liebe. 

Musik: Improvisation für Querflöte und Orgel

Björn Henkel 
Christliche Freiheit – das ist nicht: einfach in den Flieger steigen und vor allem davonlaufen. Sondern:
Freiheit zu lieben – ohne mich selbst zu verlieren.
Freiheit zu handeln – ohne Angst, nicht zu genügen.
Freiheit, die ich nicht nur selbst lebe –sondern auch anderen ermögliche. 
Dazu befreit – und bestärkt – uns der Geist Gottes.

Christliche Freiheit für Rückenwind und Nächsteliebe

Katrin Wienold-Hocke 
Die Kollegin im Ruhestand genießt es, dass sie mit dem Fahrrad anhalten kann. Die Bodenhaftung und die Zeit für ein paar Worte. Ein Ehrenamt verleiht ihr Rückenwind. Sie besucht Menschen zuhause, die sonst wenig Besuch haben und die Zeit mit ihr genießen.

Violetta weiß, wie schwer das ist, wenn du in der ersehnten Freiheit gelandet bist. – Neue Probleme kommen auf dich zu. Dann brauchst du Menschen, die dir weiterhelfen, die dich verstehen. Violetta spricht viele Sprachen - nicht nur im Wortsinn, sondern auch ohne Worte. Ein Formular ausfüllen, eine Brille besorgen und eine Hand halten – das ist Nächstenliebe.

Björn Henkel 
Paulus und Reinhard Mey haben etwas gemeinsam: Sie schwärmen von einer himmlischen Freiheit. Und bleiben doch beide am Boden.

Die himmlische Freiheit auf Erden

Reinhard Mey bedauert, dass er nicht mitfliegen kann: Wäre gern mitgeflogen. Ob er die Freiheit auf der Erde entdeckt hat? Wir erfahren es nicht.

Paulus erlebt die himmlische Freiheit auf Erden so: Der Geist Gottes schenkt nicht nur die Freiheit aufzubrechen – sondern auch die Kraft zu bleiben. 
Nicht nur die Flügel, um abzuheben – sondern auch den Rückenwind, der im Alltag trägt. Damit unsere Freiheit nicht auf Kosten anderer geht, sondern mit ihnen wächst.

Paulus schreibt: Die Frucht des Geistes ist Liebe und Freude. Friede und Geduld. Freundlichkeit, Güte und Treue. 

Wenn wir im Geist leben – dann lasst uns auch im Geist wandeln.

Frohe Pfingsten.

Amen.

Mitwirkende: 

Liturgie und Predigt: Pröpstin Katrin Wienold-Hocke und Pfarrer Björn Henkel

Moderation und Lesung: hr4 Moderator Hermann Hillebrand

Liturgische Mitwirkung: Violetta Szurpita

Musik: 

Martin Forciniti, E-Klavier und Orgel

Frauenchor Cantabile: Leitung Dr. Merle Clasen

Felix Appel, Gesang

Milena Lenger, Querflöte                    

Musikalische Gesamtleitung: Kantor Martin Forciniti

Kirchliche Leitung:

Pfarrerin Claudia Rudolff

Musik und Lieder

Georg Phillip Telemann, Sonate G-Dur, Cantabile - Allegro

EG 136, O komm du Geist der Wahrheit  

EG Plus 77, Erleuchte und bewege uns

EG Plus 122 Refrain, Grenzenlos ist deine Liebe

Orgelimprovisation (Martin Forciniti)

EG 638, Ich lobe meinen Gott

Reinhard Mey, Über den Wolken

Improvisation für Querflöte und Orgel (Milena Lenger, Martin Forciniti)

EG  Plus 75, Wo Menschen sich verschenken

Improvisation zu „Über den Wolken“ von Reinhard Mey (Milena Lenger, Martin Forciniti)

EG 258, Zieht in Frieden eure Pfade

Merle Clasen: „Dann wäre Pfingsten“ und Sarah Quartel: „I remember“

 

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