Kostbare Augenblicke
An einem kalten Morgen an einer U-Bahn-Haltestelle in Washington: Ein Mann spielt auf seiner Violine. Jemand macht ein Video davon und stellt es ins Internet. Ich habe es zufällig entdeckt und war neugierig.
Die meisten Passanten sind in Eile
Es dauert, bis der erste Passant den Geiger bemerkt. Für ein paar Sekunden verlangsamt er seinen Schritt. Dann geht er weiter. Kurz darauf wirft eine Frau im Vorübergehen einen Dollar in den Hut des Musikers. Ein paar Minuten später lehnt sich jemand an die Wand, hört zu. Doch ein Blick auf die Uhr und er geht weiter.
Ein kleiner Junge schenkt dem Musiker die größte Aufmerksamkeit. Er bleibt stehen und betrachtet den Mann mit der Violine, bis die Mutter ihn fortzieht.
Eine Vorstellung von einer Dreiviertel Stunde und kein Applaus
Der Mann spielt eine dreiviertel Stunde. Hunderte sind in dieser Zeit an ihm vorbeigeeilt. Nur sieben sind stehengeblieben, haben für einen kurzen Moment zugehört. Einige haben eine Münze in den Hut geworfen – insgesamt 32 Dollar. Als der Geiger seine Darbietung beendet, nimmt niemand Notiz. Keiner applaudiert ihm.
Joshua Bell wurde in der U-Bahn nicht erkannt
Das ist ungewöhnlich. Denn der Violinist ist Joshua Bell. Er ist einer der besten Musiker der Welt und spielte in der U-Bahn-Station eines der schwierigsten Musikstücke auf einer der wertvollsten Geigen. Zwei Tage zuvor spielte Bell dasselbe in einem großen Konzertsaal – vor ausverkauftem Haus und unter tosendem Beifall.
Mann sollte besser auf kostbare Augenblicke achten
Ich fürchte: In der U-Bahn wäre ich auch gestresst oder in Gedanken an ihm vorbeigelaufen. Wer weiß, wie viele dieser kostbaren Augenblicke im Leben ich so schon verpasst habe. Das will ich nicht mehr. Ich nehme mir vor, in allem Umtrieb und der Geschäftigkeit des Alltags immer wieder innezuhalten. Ich will die kleinen kostbaren Augenblicke bewusst wahrnehmen und mich von ihnen berühren zu lassen. Und dann Gott danken für das, was er mir damit schenkt.