Ein Lied am Abend
Früher war es bei uns so: Jeden Abend, kurz bevor meine Kinder ins Bett gegangen sind, hab ich ihnen ein Gute-Nacht-Lied vorgesungen. Wir hatten erst die üblichen Routinen – Zähne putzen, ein Glas Wasser trinken, das Licht dämmen –, aber dann hat es immer noch diesen besonderen Moment gegeben: das Lied. Mein Lieblingslied war immer „Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin.“ Ich habe es sehr langsam und geleiert gesungen. So als ob der Mond große behäbige Schritte dabei macht.
Als ich anfing zu singen, sind die Kinder ruhig geworden
Schon die ersten Töne hatten immer eine magische Wirkung auf meine Kinder. Egal, wie unruhig der Tag war, wie viele Tränen geflossen sind oder wie aufgeregt sie noch waren – in dem Moment, in dem ich angefangen habe zu singen, ist es ruhig geworden.
Der Mond geht weiter am Himmel, bis alles gut ist
Heute bin ich die, die oft unruhig im Bett liegt. Ich mache mir Sorgen um die „Kinder“, obwohl sie schon erwachsen sind. Und manchmal kann ich deshalb nur schwer einschlafen. Nun habe ich ein Ritual für mich entdeckt. Ich singe mir selbst im Kopf dieses uralte Schlaflied. Langsam und leiernd. Und ich schicke es in Gedanken zum Trost meinen Kindern. Und dabei tröstet es mich auch. Ich denke mir „Der Mond bleibt immer gleich. Er ist schon beharrlich und gemächlich seinen Weg am Himmel gegangen, als ich noch ein Kind war, später dann bei meinen Kindern – und heute immer noch.“ Und so wird er auch weiter gehen, bis alles gut ist.
Dann fühle ich mich sicher und geborgen
Für mich ist das zu einem täglichen Moment der Verbindung, einem stillen Austausch geworden. Und wenn ich dann zu der Zeile komme, in der es heißt, „Als ein treuer Menschenhüter tust du Gottes Liebe kund“, dann fühle ich mich unter den Augen eines guten Gottes geborgen und sicher.