
Kinder sagen die Wahrheit
„Opa, ich kann zählen“, hat unsere dreijährige Enkelin gesagt. Das hat sie direkt vorgeführt, mit den Fingern an einer Hand – eins, zwei, drei, vier, fünf.
Drei Finger - drei Jahre alt
Sie hat mir auch gezeigt, wie alt sie ist: Drei Finger. Als ich dann sagte, dass ich über achtzig bin und dass man das gar nicht an einer Hand abzählen kann, rief sie: „Das gibt’s nicht.“
Alte Menschen sind aus Kindersicht in ihrer Lebensart oft weit weg
Über diese Kindersicht auf das Alter haben wir alle herzlich gelacht. Dann habe ich darüber nachgedacht: Hat die Kleine nicht recht? Aus ihrer Sicht bin ich in meinem Alter und meiner Lebensart weit weg. Manches ist da vielleicht unverständlich und mancher denkt: Das gibt’s nicht.
Gut, dass es den Opa gibt?
Ich habe mich gefragt: Bei welcher meiner Gewohnheiten und Verhaltensweisen empfindet sie das noch fremd, unverständlich, weit weg, alt? Und umgekehrt gilt die Frage auch: Wo denkt sie, gut, dass es die Alten mit ihrer Erfahrung gibt. Gut, dass mein Opa so ist, wie er ist.
Wer bin ich aus der Sicht eines anderen Menschen?
Wie sieht meine Enkelin mich? Oder verallgemeinert gesagt: Wer bin ich aus der Sicht eines anderen Menschen – egal ob Kind oder Erwachsener?
Fremderkenntnis ist eine Bereicherung der Selbsterkenntnis
Ich glaube, es ist gut, sich diese Frage ab und an zu stellen – oder noch besser: sie jemandem zu stellen, dem ich eine ehrliche Antwort zutraue. Denn manche meiner Eigenschaften sehe ich selbst gar nicht mehr. Da hilft mir vielleicht ein Blick von außen. Fremderkenntnis, so nennen das die Verhaltensforscher, bereichert meine Selbsterkenntnis; ich lerne mich selbst besser zu verstehen durch das, was andere an mir sehen und mir auch sagen.
"Werdet wie die Kinder, damit ihr das Reich Gottes erreicht"
Ich glaube, dass dabei die Sicht der Kinder besonders hilfreich ist. Kinder antworten meist ganz unbefangen und ehrlich. Sie sagen was sie sehen und was sie dabei empfinden. Jesus hat einmal gesagt: „Werdet wie die Kinder, damit ihr das Reich Gottes erreicht“. (Matthäus 18,3)
Die Sicht von Kindern auf unser Leben erfragen
Damit ist bestimmt nicht gemeint, dass wir noch einmal zu Kinder werden könnten. Das geht ja nicht. Doch die Sicht von Kindern auf unser Leben – so wie es ihnen erscheint – zu erfragen, wahrzunehmen, anzunehmen, kann uns bereichern. Mit Kindern so ein offenes und ehrliches Gespräch über das Leben führen hat gewiss mit dem Himmelreich zu tun.