
Den heutigen Wein trinke ich heute
Nun sind die Weihnachtsfeiertage vorbei. Vermutlich haben viele Menschen sehr gut gegessen und auch die eine oder andere Flasche Wein geleert. Den Weinvorrat wieder auffüllen – damit hat die Segnung des Johannisweins aber nichts zu tun.
In katholischen Gottesdiensten wird heute an vielen Orten Wein gesegnet. Das ist eine ganz alte Tradition. Sie bezieht sich auf den Evangelisten Johannes. Er wird am 27. Dezember in der katholischen Kirche gefeiert. Johannes war ein Jünger Jesu, und der Überlieferung nach zog er nach Ephesus, um in der Gegend zu predigen. Die Legende erzählt: Der Oberpriester des Artemis-Tempels wollte Johannes dazu zwingen, der Göttin zu opfern. Ansonsten sollte er das Gift trinken, an dem zwei Verbrecher vor seinen Augen schon gestorben waren. Johannes blieb standhaft. Er soll den Becher gesegnet haben, woraufhin das Gift als Schlange weggekrochen ist, und er trinken konnte, ohne zu sterben. Der Oberpriester der Artemis soll daraufhin Christ geworden sein.
Wein als Brauch im Mittelalter
Diese Legende war die Grundlage für einen Brauch, der sich im Mittelalter entwickelte: Man hat vor einer Reise einen Abschiedstrunk genommen. Dazu wurde oft gesegneter Rotwein verwendet. In den Dörfern des Rheinlandes war dieser Johannestrunk bis in die 1920er Jahre üblich. In dem Brauch hat sich wohl die Erinnerung an die legendäre Tat des Evangelisten Johannes mit der Furcht vor Krankheiten und einer Portion magischem Denken vermischt.
Mich erinnert der Brauch der Weinsegnung heute an ein Sprichwort, das auch als Lied vertont ist:
Den heutigen Wein trinken wir heute,
das heutige Fest feiern wir jetzt.
Und das Leid von morgen tragen wir morgen,
wohlwissend: in Gott bleibt uns Freude, zuletzt.[1]
Mit Zuversicht ins neue Jahr
Dieses Lied mit seiner schwungvollen Melodie erinnert mich gerade in diesen Tagen kurz vor Beginn des neuen Jahres daran, zuversichtlich in die Zukunft zu gehen.
Ich will auch im neuen Jahr die Feste feiern, die das Jahr für mich bereithält – die großen und die kleinen. Ich weiß: Auch die alten Sorgen gehen mit ins neue Jahr und vermutlich kommen noch ein paar neue dazu. Aber ich bin gewiss: Gott bleibt bei mir. Er hat den Menschen den Wein geschenkt als Getränk für fröhliche Feiern, als Genussmittel. Und manchmal hilft der Wein auch als Stärkung bei einem Abschied oder einer schwierigen Herausforderung – natürlich nur in kleinen Mengen.
Ich werde heute eine Flasche Wein segnen lassen und werde sie aufbewahren für die besonderen Momente im kommenden Jahr: Für große Freude, für Abschiede und für Zeiten, in denen Stärkung notwendig ist. Und ich bin zuversichtlich: In all diesen Momenten bin ich nicht allein. Ich werde meinen Wein mit lieben Menschen teilen und Gott wird bei uns sein.
[1] Text: Eugen Eckert (2005); Melodie: Joachim Raabe (2005). Abgedruckt u.a. in „Ein Segen sein“. Junges Gotteslob.