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Das Windelkonzil zu Trient

Das Windelkonzil zu Trient

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Es hat es wirklich gegeben: Das sogenannte Windelkonzil von Trient. Konzil, das ist eine Zusammenkunft von Kirchenvertretern. Dieses in Norditalien ging Mitte des 16. Jahrhunderts zu Ende. Die Beratungen sollten einer verbreiteten Unsitte einen Riegel vorschieben.

Das Jesuskind nackt auf dem Stroh liegend erregte den Zorn der Geistlichkeit

Den Zorn der Geistlichen hatte die Detailtreue der Künstler erregt. In ihren Bildern von der Krippe hatten sie das Jesuskind unbekleidet dargestellt: Mit frohlockender Miene, roten Pausbäckchen und blankem Po auf dem Stroh liegend. Genau an diesem Punkt gab es nach Meinung der Kardinäle einen sichtbaren Konflikt: Zwischen dem an sich begrüßenswerten Interesse an der Weihnachtsgeschichte und den Moralvorstellungen der Zeit.

Fortan musste das Christuskind Windeln tragen

Also wurde kurzerhand die Konsequenz gezogen und mit Strenge die Abbildung nackter Menschen verboten. Die Maler und Bildhauer mussten also fortan dem neugeborene Messias die Windeln anlegen, um ihn nicht schamlosen Blicken preiszugeben. Wörtlich heißt es in diesem Beschluss, „dass nichts Unordentliches, unpassendes oder verwirrtes Geordnetes zu sehen ist, nichts Profanes, nichts Unanständiges, da Heiligkeit dem Haus Gottes gebührt.“ (Tridentinum, Sessio XXV)

Das "Windelkonzil" teilt die Kunstgeschickte in zwei Epochen

Heute erscheint dieser Beschluss abwegig. Man belächelt die Versammlung als Windelkonzil und wundert sich. Und doch hat das Datum eine Wirkung. Denn der Beschluss aus dem Jahr 1563 teilt die Kunstgeschichte in zwei Epochen: Bilder mit einem nackten Christkind stammen aus der Zeit vor dem Konzil, die gewindelten kamen später.

Auch die Dichter und Komponisten halten sich an dieses Gebot

Aber damit war noch nicht genug. Auch die Dichter und Komponisten wollten kein Risiko eingehen. Sie nahmen Rücksicht auf das konziliare Gebot. In die weihnachtlichen Lieder wurden Zeilen aufgenommen wie „in reinlichen Windeln das himmlische Kind, viel reiner und holder als Engel es sind“. Es ist erstaunlich, wie häufig nun die Windeln auftauchen: Auf Bildern, in Liedern, Gedichten und Geschichten.

Woher nahmen Maria und Josef die Windeln?

Nur eine Frage hatte die Kardinäle nicht lösen können, und zwar: Woher sollten Maria und Joseph in ihrer improvisierten Unterkunft im Stall plötzlich die Windeln hernehmen? Und da war es ausgerechnet der Reformator Martin Luther, der sich um eine Antwort bemühte. In einer Predigt sinniert er darüber, ob Marias Schleier oder Josephs Hosen dafür herhalten mussten. Gesteht dann aber doch, dass in beiden Fällen das Ergebnis keine Lösung bietet. Denn dann wäre das Christkind zwar gut bedeckt, aber die Eltern nurmehr leicht bekleidet.1

Wenn ich in diesen Tagen vor einer Krippe stehe, denke ich an dieses Windelkonzil und muss ein bisschen darüber schmunzeln. Oder wenn ich Weihnachtskarten verschicke, fällt mein Blick auf die Darstellung des Kindes in der Krippe: Ist es mit oder ohne Windeln abgebildet? Dass das einmal ein Problem war, erheitert mich. Und Heiterkeit steigert die Freude auf das Fest.

 

1    Martin Luther Kirchenpostille von 1522 über Lukas 2,1-14, infowerke.martinluther.us/weihnachtspostille_1522%20WA-I-0-I-I.pdf

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