Wo liegt nochmal Nizäa?
„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen …“ sicher haben Sie den Beginn dieses Gebetes schon einmal gehört und wenn Sie Christ sind, vielleicht sogar am letzten Sonntag gebetet. In der Heiligen Messe etwa kommt es sicher vor: Das Glaubensbekenntnis.
Wenn man als Christ gefragt wird, was man denn so glaube, und was das Christentum so ausmache, könnte man ganz einfach erstmal auf das Credo zurückgreifen: Es umfasst die wichtigsten Kernaussagen des Christentums, reduziert auf das Wesentliche. Mit dem Glaubensbekenntnis, dem Credo, steht und fällt alles, was das Christentum ausmacht. Dabei hat es Jesus selbst gar nicht formuliert. Anders als das „Vaterunser“ ist das Credo ein Ergebnis von Diskussionen, Streitigkeiten und Abstimmungen auf Konzilien. Also wichtigen kirchlichen Treffen, auf denen Streitpunkte und Grundfragen des Glaubens diskutiert und geklärt wurden. Das erste gesamtkirchliche Konzil wurde im Jahr 325 in Nizäa einberufen. Die Stadt liegt in der heutigen Türkei unweit von Istanbul und war in der Spätantike geographisch also mehr als geeignet, die wichtigsten Bischöfe zu versammeln. Das Konzil hat im kommenden Jahr 1700-jähriges Jubiläum.
Der Eckpfeiler unseres Glaubens
Auf dem Konzil von Nizäa wurden auch die Grundzüge des Glaubensbekenntnisses festgehalten, wie Christen es noch heute beten. Einige Jahrzehnte später ist dann durch das Konzil von Konstantinopel die heutige Fassung im Wesentlichen entstanden. Nicht dass die Inhalte des Credos vorher nicht schon geglaubt wurden. Es gab allerdings doch sehr unterschiedliche Ansichten über die Person und das Verständnis von Jesus als Sohn des Vaters und besonders, ob er wohl wirklich Gott sei oder nur ein besonders herausgehobener Teil der Schöpfung. Das war die Frage. Und eben diese Frage bewegte die Christen der damaligen Welt. Das ist lange her, könnte man sagen und die Frage stellen, ob das für uns heute überhaupt noch eine Relevanz hat. Ich meine: Die damalige Fragestellung hat eine ganz entscheidende Bedeutung. Nicht nur geschichtlich, sondern eben auch für uns heute und auch für den heutigen Glauben an Gott. Denn im Grunde geht es um die radikale Fragestellung, ob Gott wirklich in Jesus Christus Mensch geworden ist, ob der Himmel wirklich die Erde berührt, ob die Ewigkeit wirklich in die Zeit einbricht.
Die Menschwerdung Jesu als Kernpunkt
Die Konzilsväter haben damals mehrheitlich verstanden, worum es geht. Es ist kein Teilaspekt einer untergeordneten rein akademischen Fragestellung, sondern Kernpunkt der Menschwerdung Gottes und der Möglichkeit der Erlösung. Das Konzil von Nizäa lässt sich nicht dazu hinreißen, den einfachen Weg zu gehen und Gott einen fernen Gott sein zu lassen. Im Sinne der Evangelien und der Botschaft Jesu Christi machen sie Ernst mit dem Angebot Gottes: Er will uns nahe sein, er gibt sich in Jesus Christus ein Gesicht und leidet und stirbt mit ihm und steht mit ihm auf.
Das 1700-jährige Jubiläum des Konzils von Nizäa wirft einen neuen Blick auf den Befund unseres Glaubens, den wir selbst eben nicht erfunden haben und den auch das Konzil von Nizäa nicht erfunden hat: Es interpretiert nur, was durch die Offenbarung und das Leben, das Sterben und die Auferstehung Jesu uns geschenkt wurde: Die radikale Zusage Gottes an uns!
Das Jubiläum ist für mich persönlich nicht nur akademisches Erinnern an interessante, aber vergangene Zeiten. Vielmehr kann es den Blick schärfen für die Sprengkraft des Christentums, für die radikale und rettende Botschaft der absoluten Nähe Gottes und der Aufgabe, die auch wir als Christen in der Gegenwart haben: Das lebendige Evangelium und die Person Jesu als Botschaft für heute anzunehmen und uns durch sie umwandeln zu lassen.