Beim Namen gerufen
Morgen ist ein stiller Tag. Totensonntag oder auch Ewigkeitssonntag. Manchmal treffen sich an diesem Tag Hinterbliebene und Trauernde. Sie besuchen miteinander die Gräber und beim Kaffee hinterher denken sie an die, die jetzt nicht mehr dabei sind.
Ein Gottesdienst zur Erinnerung an die Verstorbenen
So wie Christine an ihren Vater denkt. Er ist schon vor ein paar Jahren gestorben. Im Herbst nach seiner Beerdigung hatte Christine eine Einladung in ihrem Briefkasten - zum Gottesdienst am Totensonntag. Im Einladungstext stand, da würde noch einmal an ihren Vater erinnert.
Eine Kerze für jeden Verstorbenen
Zuerst war Christine unsicher, ob sie da überhaupt hingehen soll. Sie wusste: Die Pfarrerin wird für jeden Verstorbenen eine Kerze anzünden, auch für ihren Vater. Und dann wird sein Name vorgelesen. Allein bei der Vorstellung hat sie schon einen Kloß im Hals. Weil plötzlich wieder die ganzen Erinnerungen an ihn wach werden und er ihr noch mehr gefehlt hat als sonst.
Zusammen mit Menschen sein, die auch jemanden verloren haben, tut gut
Aber dann hat sie sich durchgerungen, ist hingegangen. Und sie hat gemerkt: Es tut ihr gut, dort in der Bank zu sitzen, mit Menschen, denen es genauso geht, die ebenfalls jemanden verloren haben.
Dann war es so weit: der Name ihres Vaters wurde noch einmal genannt. Und irgendwie war es dann sogar richtig schön. So würdig. Es hat gezeigt: Auch, wenn er nicht mehr lebt, ist er noch lange nicht vergessen. Er ist es wert, dass man sich an ihn erinnert.
Gott erinnert sich an jeden Menschen - bis in alle Ewigkeit
So in etwa hatte es die Pfarrerin auch auf seiner Beerdigung gesagt. Damals hat sie einen Satz aus der Bibel vorgelesen, der Christine in Erinnerung geblieben ist, nämlich: Gott spricht: Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst zu mir. (Jesaja 43,1)
Diese Vorstellung gefällt Christine: Gott, der den Namen ihres Vaters ruft. Das bedeutet ja, dass Gott sich an ihn erinnert. Auch jetzt noch, ein paar Jahr nach seinem Tod. Und selbst wenn eines Tages niemand mehr da ist, der den Namen ihres Vaters sagt oder an ihn denkt: In Gottes Erinnerung ist er aufgehoben – bis in alle Ewigkeit. Diese Hoffnung tröstet Christine und macht die Trauer ein kleines bisschen leichter.
Hoffentlich geht es auch anderen Menschen so, die trauern, weil sie in den letzten Monaten jemanden verloren haben. Morgen, am Totensonntag, werden in den Gottesdienst ihre Namen genannt.
Ein Ritual im November
Auch Christine wird dann wieder in die Kirche gehen. Es ist ihr kleines Ritual geworden – jedes Jahr im November. Sie wird die Musik hören, beten, sicher auch weinen, weil sie ihren Vater noch immer vermisst. Christine denkt an ihn.
Und Gott ja auch. Bei Gott ist kein Mensch jemals vergessen. Christines Vater nicht. Und sie selbst auch nicht, wenn es einmal so weit ist. Er kennt ja alle mit Namen. Die Toten – und die Lebenden auch.