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Welche Sprache braucht die Integration
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Welche Sprache braucht die Integration

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Als meine Mutter im Ruhestand nach einer Beschäftigung suchte, lernte sie Spanisch. Schon immer hätte sie gerne Fremdsprachen gekonnt, aber in ihrer Jugendzeit war Krieg und da lernte man so etwas nicht. Nun wollte sie das nachholen.

Der Spanischkurs wurde zum Höhepunkt der Woche

Spanisch gefiel ihr gut, weil sie das aus dem Urlaub kannte. Die Stunden in der Volkshochschule wurden zum Höhepunkt der Woche. Sie hatte großes Vergnügen am Lernen und genoss es, mit anderen Menschen zusammenzukommen. Aber es gab kaum Fortschritte. Auch nach langer Zeit tat sie sich schwer, die Kenntnisse anzuwenden.

Eine Sprache zu lernen ist schwer. Kindern fällt es noch leicht, aber im Alter lässt das Kurzzeitgedächtnis nach. Meine Mutter merkte das, aber das machte ihr nichts aus. Der Erfolg war für sie ja nicht existenziell wichtig.

Ohne jede Sprachkenntnis in einem fremden Land

Bei Menschen, die auf ihrer Flucht herkommen, sieht das anders aus. Wie mögen sie sich fühlen, wenn sie meistens ohne jede Sprachkenntnis dastehen und mit arabisch oder syrisch hier nicht weit kommen?

Die Sprache ist wahrscheinlich die entscheidende Hürde bei der Integration

Im Umgang mit Migranten heißt es oft, sie müssten zunächst einmal unsere Sprache lernen. Das sagt sich einfach, es umzusetzen ist aber schwer. Die Sprache ist wahrscheinlich die entscheidende Hürde bei der Integration. Aber ich frage mich: Was sagt das über unser Verständnis von Integration aus, wenn wir die so unmittelbar an das Sprachvermögen koppeln?

Sprachenverwirrung beim Turmbau zu Babel

In der Bibel ist gleich an zwei wichtigen Stellen von Sprachen die Rede. Die erste ist die Geschichte vom Turmbau zu Babel. In überheblicher Attitüde wollen die Menschen einen Turm bis in den Himmel bauen, aber Gott verwirrt sie, indem er ihnen verschiedene Sprachen gibt. Sprachen wirken dort wie eine Barriere, sie schaffen Grenzen.

Die Grenzen der Sprachen überwinden, wenn man sich im Geist einig ist

Die zweite Geschichte steht im Neuen Testament. Es ist die Pfingstgeschichte: alle Anhänger Jesu kommen in Jerusalem zusammen. Sie haben Verständigungsprobleme, denn alle sprechen eine andere Sprache. Und dann passiert ein Wunder: Obwohl sie alle in unterschiedlich Sprachen sprechen, können sie sich doch verstehen. Die Einigkeit kommt trotz der Sprachbarriere. Und das bedeutet: die Grenzen der Sprachen können wir überwinden, wenn man sich im Geist einig ist.

Im europäischen Parlament: Dolmetscher um die Sprachbarrieren zu überwinden

An einem Ort lässt sich das beobachten: In Straßburg. Dort sind am europäischen Parlament mehrere Hundert Dolmetscher angestellt, um die Sprachbarrieren zu überwinden. * Wenn es dort trotzdem nicht zur Einigung kommt, liegt das eher an der fehlenden Einheit im Geist, nicht an den Sprachen.

Wichtig ist gegenseitiger Respekt und der Wunsch nach Verständigung

Unterschiedliche Sprachen bleiben wohl immer ein Hindernis im Alltag, aber das lässt sich überwinden. Deshalb ist es zwar gut, eine Fremdsprache zu lernen, aber wichtiger sind andere Dinge: Sich gegenseitig zu respektieren, und der strikte Wunsch, den Anderen überhaupt verstehen zu wollen.

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