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Heilige und ihre dunklen Zeiten
Bild: AaronBurden_unsplash

Heilige und ihre dunklen Zeiten

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Gestern abends gab’s in unseren Vorgärten und Hauseingängen wieder gruselige Kürbislaternen zu sehen. Es war Halloween, die Bräuche dazu sind ein uralter irischer Brauch. Man glaubte früher, dass an diesem Abend die Geister der Toten wieder zu den Lebenden zurückkehren könnten, und die Fratzen sollten sie bannen. Jetzt ist es bei uns nur ein gruseliger Spaß für Kinder. Sie lieben es, sich zu verkleiden und „Süßes oder Saures“ einzukassieren.

Heilige, die im Verborgenen gewirkt haben, kennt nur Gott

Das Wort Halloween kommt von „All Hallows ’Eve“ und bezeichnet den Vorabend vor dem Fest Allerheiligen. An Allerheiligen geht es nicht nur um einzelne Heilige wie Elisabeth oder Nikolaus. Es geht um die vielen, die keinen Platz mehr im offiziellen Heiligenkalender gefunden haben, und es geht auch um all die vielen heiligen Menschen, deren Namen man nicht kennt, weil sie im Verborgenen gewirkt haben. Wer und wie weiß Gott allein, und dafür braucht es keine feierliche Erhebung zu den Altären.

Die Leben der Heiligen verliefen nicht glatt und bruchlos

Als Kind hab´ ich mir bei „Heiligen“ besonders fromme Menschen mit Heiligenschein vorgestellt, die von Kindesbeinen ganz und gar in ihrem Glauben aufgingen. Viele Legenden erzählen von ihren Wundertaten; manche wurden hingerichtet, weil sie treu zu ihrem Glauben standen. Heute weiß ich: Die Biografien dieser Menschen, die wir als Heilige ehren, verliefen nicht so glatt und bruchlos. Charismatische Menschen haben besondere Anfechtungen zu bestehen. Der größte Feind lauert in ihrem Innern. Er zeigt sich in Glaubenskrisen und Selbstzweifeln. Früher hat man diese Anfechtungen mit dem Wirken von „Dämonen“ umschrieben.

Ein plötzlicher Anruf Gotte hat etwas Verstörendes

Der plötzliche Anruf Gottes und der Anspruch, der damit verbunden ist, hat für das Leben der Berufenen etwas zutiefst Verstörendes. Es löst eine Krise im Leben aus. Das Neue verlangt eine unbedingte Konzentration auf den wesentlichen Lebenskern, der das unbedingte Vertrauen an Gott ist.

Die Dunkelheit, die Mutter Teresa umgab, ließ sie an Gott zweifeln

Mir kommt dabei Mutter Teresa in den Sinn, die 2016 heilig gesprochen wurde. Ihr Name ist geradezu ein Synonym für christliche Nächstenliebe geworden, die sich über alle nationalen, ethnischen und religiösen Grenzen hinweg in ihrem aufopferungsvollen Einsatz für die Hungernden und Sterbenden in Kalkutta ausdrückte. Auch wenn sie wegen mancher Einstellungen viele Kritiker hatte, waren diejenigen, die ihr persönlich begegnen konnten, von ihrer Ausstrahlung und ihrem Lächeln tief beeindruckt. Umso verstörender war es, als nach ihrem Tod herauskam, wie furchtbar diese Frau bei all ihrem barmherzigen Wirken in der Nachfolge Jesu unter dem Gefühl der Gottferne gelitten hat. Eine Dauerkrise über Jahrzehnte hinweg. In einem Brief hat sie von der Dunkelheit geschrieben, die sie von allen Seiten umgebe. Und schließlich zweifelte sie sogar an der Existenz Gottes.

Obwohl sie Gott nicht verstand, gab sie ihn nicht auf

Vielen Menschen geht das auch so, wenn im Leben tragische Ereignisse einbrechen und alles aus der Bahn werfen - auch das Gottvertrauen. Das wird auf die Probe gestellt. Wie kann Gott das zulassen, fragen sie sich dann verzweifelt. Der heilige Augustinus hat einmal gesagt: „Die dunkle Seite Gottes ist größer als die helle. Wenn du Gott verstanden hast, ist es nicht Gott.“ Aber je dunkler und ferner Gott für Mutter Teresa wurde, desto intensiver rang sie mit ihm. Sie gab ihn trotz allem nicht auf. Er blieb ihr Lebenskern.

Vielleicht macht das ja gerade Heiligkeit aus: Dass ich an Gott festhalte, auch wenn er mir fern vorkommt.

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