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Die Gänsehaut
Bild: TungLam_pixabay

Die Gänsehaut

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Während der Olympischen Spiele in Paris hatte ein Ausdruck Hochkonjunktur: „Gänsehaut“. Unentwegt hat jemand von Gänsehautmomenten gesprochen. Oder von „Gänsehaut pur“.

Gänsehaut bekommt man bei Angst – und bei Freude

Wenn man in einen Zustand heftiger emotionaler Erregung wie Angst oder Freude gerät, bekommt man Gänsehaut. Mir passiert das manchmal in einem Konzert oder letztens als Brautmutter, als ich erlebt hab´, wie sich das junge Paar sein Ja-Wort gegeben hat. 

„Gänsehaut pur“ im Stadion

Im Fernsehen habe ich oft gesehen, wie Menschen geradezu außer sich geraten, wenn sie ihre Mannschaft im Stadion anfeuern oder bei einem Open-Air- Konzert ihrem Popstar zujubeln. Sie genießen dabei die Gemeinschaft mit ihren gleichgesinnten Fans. Und irgendwie gehen sie auch in der Menge auf. Manchmal fragen Journalisten:

„Wie fanden Sie das Spiel, die Show?“ Antwort: „Gänsehaut pur“. Und damit wird ein großes Erlebnis ausgedrückt, das man mit vielen anderen geteilt hat. Und in diesem Zusammenhang drückt Gänsehaut ein positives Gefühl aus. 

Es kann aber auch Entsetzen physisch anzeigen

Gänsehaut bekomme ich aber auch, wenn etwas Schlimmes passiert, z.B. Terroranschläge oder Naturkatastrophen. Da stellen sich einem die Haare auf; und Gänsehaut zeigt physisch mein Entsetzen an.

Problematisch, wer solche Erlebnisse zur Propaganda nutzt

Problematisch wird es für mich, wenn Gänsehaut systematisch zu bestimmten Zwecken manipuliert wird, etwa in der Politik. Beklommen erinnere ich mich an Filmausschnitte aus der Zeit des Nationalsozialismus. Hitlers Regisseurin Leni Riefenstahl lässt Hitler in einem Flugzeug über Nürnberg zum NSPAP-Parteitag durch die Wolken schweben. Zunächst sieht man nur den Schatten des Flugzeugs, dann kommt es ins Bild, und es folgt eine lange Filmsequenz, die die Stadt und die dort wartende Menschenmenge von oben abfährt. Als Hitler dann endlich wie ein Erlöser vom Himmel herabkommt und aus dem Flugzeug steigt, erheben alle die Arme frenetisch zum Hitlergruß. Die Gänsehaut der Massen in Nürnberg sollte sich auch auf die Zuschauer dieses Propagandafilms übertragen. Solche Massenerregung macht mir Gänsehaut.

Gebt Acht vor falschen Propheten

Mich erinnert diese Szene mit Hitler auch an Sätze aus der Bibel. In denen warnt Jesus vor den Wölfen im Schafspelz:

„Wenn dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Christus! Oder: Seht, dort ist er!, so glaubt es nicht. Denn es wird mancher falsche Christus und mancher falsche Prophet auftreten und sie werden Zeichen und Wunder wirken, um die Auserwählten in die Irre zu führen. Ihr aber: Gebt Acht!“ (Markus-Evangelium 13,21-23).

Genau schauen, ob ich getäuscht oder manipuliert wurde

Dabei ist letzte Appell: „Gebt Acht“ entscheidend, denn es geht um die richtige Unterscheidung. Und Gott sei Dank gibt es den Verstand dazu. Was bleibt, wenn die Gänsehaut vergeht? Die Erinnerung an ein schönes Erlebnis, wie nach einem tollen Konzert oder einem festlichen Gottesdienst? Oder die Ernüchterung darüber, dass ich mich getäuscht habe oder manipuliert wurde? Ich möchte genauer hinsehen, wenn eine Menschenmasse außer sich gerät. 

Gänsehaut ist nicht gleich Gänsehaut. Es kommt auf ihre Ursache an.

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