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Lesepaten
GettyImages/Kobus Louw

Lesepaten

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Theologischer Referent der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin der EKHN
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Gestern war ich auf der Frankfurter Buchmesse. Tausende Menschen tummelten sich in den Messehallen. Alle verbindet die Leidenschaft fürs Lesen und für tolle Geschichten, die das Herz berühren.

Bücher entführen schon Kinder in fremde Welten

Auch ich bin eine Leseratte. Schon als Kind habe ich Bücher verschlungen. Sie haben mich in fremde Welten entführt. Haben meinen Horizont erweitert. Von Robinson Crusoe und Freitag habe ich gelernt, was Freundschaft bedeutet. Ronja Räubertochter fand ich toll, weil sie so mutig ist. Und wie man einen viel Stärkeren besiegt, zeigte mir der Hirtenjunge David, der es mit dem Riesen Goliath aufnimmt. In meiner Kinderbibel habe ich davon gelesen.

Für manche Kinder bleiben Bücher tote Buchstaben

Bücher haben mein Leben verändert. Diese Erfahrungen wünsche ich jedem Kind. Deshalb macht mir Sorgen, was die Klassenlehrerin auf dem Elternabend unseres Sohnes gesagt hat: Viele Kinder haben große Probleme, flüssig zu lesen. Und einige würden laut vorlesen und nicht verstehen, was sie lesen. So bleiben die Bücher für sie tote Buchstaben.

Lesepateninnen und -paten unterstützen Kinder beim Lesen

Die Lehrerin erzählt aber auch von dem Lesepaten, der die Kinder unterstützt. Lesepatinnen und -paten sind begeisterte Leser, die sich ehrenamtlich in der Schule engagieren. Gerade Schülerinnen und Schüler, die zuhause keine Bücher haben, werden so an Literatur herangeführt.

Ich finde das Wort „Lesepate“ schön. Paten und Patinnen begegnen mir oft in meinem Alltag als Gemeindepfarrer. Wenn Kinder getauft werden, gibt es meist einen Paten oder eine Patin. Wer dieses Amt übernimmt, trägt eine besondere Verantwortung. Die Patin hat eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind, begleitet es und erzählt von ihrem eigenen Glauben. Und unterstützt ihr Patenkind dabei herauszufinden, was wichtig ist im Leben und den eigenen Weg zu finden.

Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeit braucht man als Pate

So ähnlich sind auch die Aufgaben für Lesepaten: begleiten, unterstützen, Begeisterung teilen. Was man dafür braucht? Ein geduldiges Ohr, Einfühlungsvermögen, Motivationsfähigkeit. Zeit für mindestens einen festen Vormittagstermin in der Woche. Und ein bisschen Lebenserfahrung kann nicht schaden.

Auf dem Elternabend erzählt die Lehrerin weiter: „Unser Lesepate ist Herr Sanchez, ein älterer Herr, der zwei Mal in der Woche in die Schule kommt. Er setzt sich dann mit einem Kind in einen Raum und übt lesen. Das Kind liest laut vor, und die beiden sprechen über den Inhalt. Da entstehen oft spannende Gespräche.“

Es geht darum die Begeisterung für das Lesen weiterzugeben

Wenn ich das höre, verstehe ich: Es geht nicht nur um die Fähigkeit, Wörter korrekt zu lesen. Sondern darum, die Begeisterung für das Lesen weiterzugeben. Sich selbst in den Geschichten wiederzufinden. Die Erfahrung, dass Bücher neue Welten eröffnen und den Horizont erweitern.

Wie schön wäre es, wenn von den über 200.000 Besucherinnen und Besuchern der Buchmesse viele ihre Fähigkeiten als Lesepaten oder Lesepatinnen entdecken und weitergeben würden. Damit immer mehr Kinder erfahren: Bücher und Geschichten können das Leben verändern.

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