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Mensch ärgere dich nicht!
Bild: Alexa auf Pixabay

Mensch ärgere dich nicht!

Steffen Flicker
Ein Beitrag von Steffen Flicker, Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda
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Ich spiele gerne mit meiner Tochter das Brettspiel „Mensch ärgere dich nicht!“ Ein altes Spiel, das schon Generationen von Menschen viel Spaß, aber eben auch vielleicht viel Kummer bereitet hat – obwohl man sich ja, wie der Name schon sagt, ausdrücklich nicht ärgern soll. Nun ist das aber so eine Sache mit dem Nicht-Ärgern-Sollen. Hand aufs Herz: Wer steht schon gerne als Verlierer da? Irgendwie hat es auch im Spiel immer einen negativen Beigeschmack, wenn man feststellen muss: Ich habe verloren!

Manche Eltern setzten bewusst die Strategie ein, das Kind bei diesem Brettspiel gewinnen zu lassen, indem sie zum Beispiel nicht die Spielfigur setzen, die zum Verlust einer Spielfigur des Kindes führen könnte, sondern eine andere, die noch auf dem Spielfeld steht und den Sieg des Kindes nicht gefährden kann. Es soll auch Eltern geben, die bewusst zugunsten des Kindes im Spiel „schummeln“, nur um zu verhindern, dass das Kind die Partie verliert. Aber ist das sinnvoll? Oder anders gefragt: Gehört es nicht zum Leben, dass ich einmal gewinne und einmal verliere?

Verlieren muss gelernt werden

Ich denke: Verlieren-Können muss eingeübt werden. Kindern unter allen Umständen die Erfahrung des Verlierens im Spiel zu nehmen, ist nach meinem Verständnis kein gutes pädagogisches Ziel. Es geht in meinen Augen nicht darum, Kindern Niederlagen zu ersparen – sondern vielmehr darum, ihnen dabei zu helfen, mit solchen Misserfolgen gut umzugehen. Als Eltern und als Pädagogen ist es doch schließlich unsere Aufgabe, die Fähigkeiten unserer Kinder zu stärken, um mit Herausforderungen, die das Leben nun einmal stellt, gut zurechtzukommen.

Das Verlieren-Können hat auch etwas mit Loslassen zu tun, mit Gelassenheit. Manchmal sagen Kinder, wenn sie bei einem Spiel verlieren: „Jetzt höre ich auf. Ich spiele nicht mehr mit. Ich habe keine Lust mehr.“ Und mir als Erwachsener fällt es mir natürlich auch manchmal schwer, wenn ich das Gefühl habe, dass mich jemand über den Tisch gezogen hat. Der Ausspruch „Na warte! Wir sehen uns wieder!“ kann auch als Drohung verstanden werden.

„Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert, wird es gewinnen“, sagt Jesus. Und er meint damit, dass der Versuch, sein Leben festzuhalten, seinen Besitz zu bewahren, letztlich scheitern muss. Am Schluss verfüge ich über gar nichts mehr, sondern verliere alles, was mir wichtig ist.

Die Kunst des Loslassens

Auf Vermögen, Reichtum, Geltung oder Macht kommt es letztlich nicht an, sondern auf die innere Freiheit und auch auf die Fähigkeit, Dinge loszulassen. So kann also das Verlieren auch eine Kraft entfalten. Ich muss nicht immer das Ziel verfolgen, auf das vermeintliche Siegertreppchen zu steigen. Es kann mich auch stärken, wenn ich loslassen kann. Also: „Mensch ärgere dich nicht!“

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