
"War Maria eigentlich schwarz?"
Der Oktober hat für manche Katholikinnen und Katholiken als „Rosenkranzmonat“ Bedeutung, als Monat also, in dem immer wieder dieses alte Mariengebet, der Rosenkranz, gebetet wird. „Gegrüßet seist du Maria, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus“, so beginnt es. Der Hintergrund des Gebets ist die Begegnung zweier Frauen, Maria und Elisabeth, wie sie der Evangelist Lukas in der Bibel beschreibt: Die seit kurzem mit Jesus schwangere Maria besucht ihre ältere, ebenfalls schwangere Verwandte Elisabeth. Und die merkt sofort, was los ist: dass Maria gesegnet ist von Gott, dass sie ein besonders Kind erwartet. Und der Gruß von Elisabeth, „Grüß dich Maria!“ wurde später zum Gebet.
Starke mutige Worte
Nach der Begrüßung, so steht es in der Bibel, stellt sich Maria hin und singt einen Lobgesang, das Magnifikat. „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, so beginnt der Gesang und wird dann immer deutlicher, ja revolutionärer. „Gott stößt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“, „die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 2,46-55). Starke mutige Worte, die der Maria von Lukas zugetraut und in den Mund gelegt werden. Worte, die schon vieles vorweg nehmen, was später ihr Sohn Jesus umsetzen wird, wenn er sich besonders denen am Rande der Gesellschaft zuwendet
Die Frage kam ein bisschen unvermittelt
Diesen Evangeliumstext, die Begegnung von Maria und Elisabeth und den anschließenden Lobgesang, haben wir vor kurzem auch im Altenheim gelesen. Und da fragte mich eine Frau: „Sagen Sie mal, war Maria eigentlich schwarz?“ Die Frage kam ein bisschen unvermittelt und ich habe ihr geantwortet: „Naja, wahrscheinlich hatte Maria eine dunklere Haut als wir und sicher dunkle Haare. Wie kommen Sie drauf?“ Sie hätte an ein Gnadenbild mit einer schwarzen Madonna denken müssen, meinte sie.
Dieses Bild ging mir nicht aus dem Kopf
Mir ging anschließend noch öfters die Frage der älteren Dame durch den Kopf: „War Maria eigentlich schwarz?“ Ganz sicher sah Maria nicht so aus, wie wir sie von so manchen Heiligenbildern und Gemälden kennen: eine Frau mit blondem oder hellbraunem offenen Haar im kostbaren blauen Gewand, oft noch mit geneigtem Haupt.
Maria und Jesus hatten wahrscheinlich einen dunklen Teint
Wahrscheinlich hatte Maria genau wie ihr Sohn Jesus einen dunklen Teint, dunkle Haare und Augen, vielleicht trug sie in der Öffentlichkeit ein Kopftuch. Und Jesus und seine männlichen Jünger trugen natürlich einen Bart, wie alle jüdischen Männer damals. Und wahrscheinlich hatten sie lange Gewänder an, so ähnlich wie wir sie heute manchmal bei unseren muslimischen Mitbürgern sehen, auf dem Weg zum Freitagsgebet. Die Familie und auch die Freundinnen und Freunde Jesu sprachen eine für uns unverständliche, orientalische Sprache, Aramäisch, noch dazu den Dialekt von Galiläa, der als ein bisschen hinterwäldlerisch galt, so verstehe ich die Kommentare der Bibel.
Die beiden hätten es heute schwer, die Grenzkontrollen zu überwinden
Die Geographie von Israel und Palästina ist uns durch die kriegerischen Auseinandersetzungen aus den Nachrichten vertraut. Übertragen auf die heutige Situation kam der Jude Jesus damals in Bethlehem im palästinensischen Westjordanland zur Welt, ist aufgewachsen in Nazareth im Norden Israels, und gewaltsam gestorben in Jerusalem, in der so umkämpften Stadt.
Dieser andere Blick auf Maria und Jesus beschäftigt mich weiter. Und ich fürchte, dass die beiden es heute schwer hätten, über alle Grenzkontrollen und Hürden hinweg bis zu uns zu kommen.