
Trauer-Oase
Seit diesem Sommer steht auf dem kleinen Friedhof in Frankfurt-Nied eine besondere Bank. Der Standort ist etwas versteckt; ganz in der Nähe ist der Platz, wo man Wasser zum Gießen holen kann.
Ein einladender Ruheort
Ein kleiner geschwungener Pfad führt hin. Am Eingang zum Pfad steht eine Stele aus Stein. „Trauer-Oase“ steht darauf. Der Pfad endet bei einem runden Boden-Mosaik neben einem großen Baum. Und genau auf diesem Mosaik steht die schöne Holzbank. Ein einladender Ruheort.
Die Idee zur Trauer-Oase kam Frauen im Trauercafé
Die beiden Initiatorinnen der Traueroase leiten auch ein Trauercafé in Nied. Dort treffen sich Menschen, die trauern. Einmal im Monat findet dieses Treffen statt, unkompliziert, ohne Anmeldung. Die Frauen kennen einen ähnlichen Platz, auf einem anderen Friedhof. Da kamen sie auf die Idee, auch auf dem Friedhof in Nied so einen besonderen Ort zu schaffen.
Eine Holzbank zum Verweilen, Nachdenken und Erinnern
Die besondere Holzbank lädt alle ein zum Verweilen, ganz gleich, wann und wie der Tod ihnen begegnet ist, ganz gleich, ob die Wunde noch frisch ist oder längst vernarbt. Sie fragt auch nicht nach Religion oder Herkunft. Wer mag, kann hier Platz nehmen und sich an liebe Menschen erinnern, die gestorben sind, kann beten oder nachdenken. Direkt neben der Gießstation kann man auch dem Wasserplätschern lauschen. Das beruhigt und ruft in Erinnerung: Das Leben ist im Fluss. Nichts bleibt immer gleich. Nach dem dunklen Tal kommen auch wieder Licht und neue Energie.
"nimm platz mein schatz"
Auf der Holzbank ist zu lesen: „nimm platz mein schatz“. Zuerst habe ich gedacht: Eigentlich werde ich nicht gern von Fremden mit „mein Schatz“ angeredet. Aber inzwischen finde ich den Satz ganz schön. Da spricht offensichtlich jemand zu mir, der mir ganz vertraut ist. Wer lädt mich da ein zum Platznehmen?
Meine Großmutter vielleicht, die vor 7 Jahren gestorben ist und die mich so lange begleitet hat. Oder spricht da Gott zu mir, eine unsichtbare Macht, eine höhere Instanz?
Gott sitzt mit auf der Bank und hört zu
Ich stelle mir vor, wie Gott auf mich wartet und neben mir auf der Bank sitzt. Vielleicht sitzt meine Großmutter sogar auf der anderen Seite neben mir. Da rede ich mir alles von der Seele, was mich belastet. Wenn Tränen kommen, hält Gott mir ein Taschentuch hin. Gott schreckt nicht zurück vor meiner Traurigkeit, bewertet mich nicht und kommt nicht mit schlauen Tipps daher. Gott hört einfach nur zu.
Wenn ich dann aufstehe und weitergehe in meinen Alltag, bin ich ruhiger und zuversichtlicher. Habe mehr Klarheit in meinem Kopf und weiß, was ich als nächstes tun will.
"Tausche Geschichte gegen Getränk"
Und noch etwas hält diese neue Traueroase bereit: Zu bestimmten Zeiten sitzt eine Seelsorgerin auf der Bank und ist gesprächsbereit, natürlich nur bei trockenem Wetter. Wer vorbeischaut, bekommt ein Getränk und kann seine Lebensgeschichte erzählen. Nach dem Motto „Tausche Geschichte gegen Getränk“.
Ob es nun Zwiegespräche mit Verstorbenen, Gespräche mit lebenden Menschen oder mit Gott werden, das ist eigentlich unerheblich. Die Trauer-Oasen-Bank auf dem Friedhof ist ein guter Platz.