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Mit dem Glauben in Deutschland angekommen
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Mit dem Glauben in Deutschland angekommen

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Obst, Nüsse, Brot und Humus stehen auf den Tischen. Kaffee und Tee gibt es auch. Etwa 20 sehr unterschiedliche Menschen sind im Gemeindehaus zusammengekommen, die meisten aus Afrika. Bevor es ans Buffet geht, beten wir kurz miteinander, in unterschiedlichen Sprachen: Englisch, Französisch, Madagassisch, Tigrinya, Tamilisch, Deutsch.

6 unterschiedliche Gemeinden nutzen dieselben Kirchenräume

Was wir gemeinsam haben: Wir sind Christinnen und Christen und nutzen dieselben Kirchenräume. Und sind doch so unterschiedlich. 6 Gemeinden nutzen seit diesem Jahr unsere Räume als Gäste; 4 mehr als noch im letzten Jahr.

Weiße Gewänder, barfuß und viel Weihrauch in der evangelischen Kirche

Da ist zum Beispiel die Celestial Church of Christ, die himmlische Kirche Christi. Die meisten Mitglieder kommen aus Nigeria. Sie tragen weiße Gewänder, benutzen viel Weihrauch und ziehen ihre Schuhe aus, bevor sie die Gottesdienst-Räume betreten. Auch wir sollten ihren Gebetsraum nur barfuß betreten, nicht nur bei Gottesdiensten, sondern auch bei Chorproben und Seniorenfrühstückstreffen. Aber das wollten wir nicht, unsere Kultur ist anders.

Junge Christinnen und Christen aus Madagaskar

Zu einer weiteren Gastgemeinde gehören junge Christinnen und Christen aus Madagaskar. Sie sind katholisch, evangelisch und freikirchlich. Sie studieren, machen eine Ausbildung oder sind Aupairs. Sie singen und tanzen gern und beten in ihrer Muttersprache.

Die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde feiert um 6 Uhr morgens

Oder Sankt Selassi, eine äthiopisch-orthodoxe Gemeinde. Die Feier beginnt samstags um 6 Uhr, denn vor dem heiligen Abendmahl müssen die Mitglieder der Gemeinde nüchtern sein. Für diese äthiopischen Christen musste in einer unserer Kirchen ein großer roter Vorhang aufgehängt werden. Der Vorhang trennt den Altarraum ab, weil der für sie besonders heilig ist.

Das Miteinanderist manchmal mühsam

Manches ist mühsam am Miteinander dieser unterschiedlichen Gemeinden: Da stehen plötzlich die Stühle anders als sonst, die Lieder, die aus der Kirche zu hören sind, klingen ganz anders als die Kirchenlieder, die ich kenne. Und weil es so sehr nach  Weihrauch riecht, hat jemand gefragt, ob unsere evangelische Gemeinde jetzt katholisch geworden ist. Da ist oft ein weites Herz gefragt.

Die evangelische Kirche ist nur ein kleiner Ausschnitt der bunten Kirche Gottes

Als wir aber zusammensitzen bei Kaffee und Tee, weiß ich: Es ist der richtige Weg. Alle Verantwortlichen erzählen von ihren Lebensgeschichten und ihren Gemeinden, von ihrer Hoffnung und ihrem Glauben. Ich merke: Meine deutschsprachige evangelische Kirche ist nur ein kleiner Ausschnitt der bunten Kirche Gottes. Die Gemeinden anderer Herkunft sind nicht nur „Mieter“, sie sind Partner.

Endlich auch mit ihrem Glauben angekommen in Deutschland

Einmal habe ich einer neuen Gastgemeinde die Kirchenschlüssel überreicht und ihnen den Raum gezeigt. Da hatten die Leiterin und der Leiter der Gemeinde Tränen in den Augen, Tränen der Dankbarkeit: endlich ein schöner Platz für ihre Gemeinde. Endlich auch mit ihrem Glauben angekommen in Deutschland. Endlich dazugehören.

Ich merke: Wer sich willkommen fühlt, macht anders mit. Echte Gastfreundschaft ist ein hohes Gut. Nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft.

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