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Kinder an die Macht
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Kinder an die Macht

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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„Die Armeen aus Gummibärchen / Die Panzer aus Marzipan / Kriege werden aufgegessen / Einfacher Plan / Kindlich genial“ So singt Herbert Grönemeyer in "Kinder an die Macht“, und es klingt nach einer besseren Welt.

Vor 70 Jahren eingeführt: der Weltkindertag

Heute wird in Deutschland der Weltkindertag begangen. Vor 70 Jahren ist er eingeführt worden. In diesem Jahr steht er unter dem Motto: „Mit Kinderrechten in die Zukunft“.

Mehr und mehr setzt sich das Recht des Stärkeren durch

Dass Kinder die Macht bekommen, weil sie noch unschuldig sind und keine Strategien zum eigenen Machterhalt entwickelt haben, ist ein alter Traum. In dem Roman „Herr der Fliegen“ von William Golding wird dies als Experiment durchgespielt: Eine Gruppe von Kindern landet bei dem Absturz eines Flugzeugs im Atomkrieg auf einer einsamen Insel. Jetzt, wo sie unter sich sind, könnte man auf eine friedliche Gesellschaft in diesem kleinen Kinderstaat hoffen. Aber es entwickelt sich ganz anders: Die Kinder werden einander zu erbitterten Gegnern. Mehr und mehr setzt sich unter ihnen das Recht des Stärkeren durch. Sie verfolgen sich und bringen sich gegenseitig brutal um. Als einige die ganze Insel in Brand gesetzt haben, wird nur eines von ihnen von einem Marineoffizier gerettet, der mit seinem Schiff an der Insel angelegt hatte.

Kinder haben ein Recht, Kind zu sein

Zum Glück erlebe ich es anders: Wenn ich sehe, wie sich ein kleiner Junge im Kinderwagen über einen großen Hund freut, wenn ich zuschaue, wie einfallsreich Kinder miteinander spielen und Pläne machen, dann geht mir das Herz auf. Dennoch denke ich: Romantisierungen des Kindseins bringen nicht viel. Sie sind immer in Gefahr, weder Kinder noch Erwachsene richtig ernst zu nehmen. Kinder haben ein Recht, Kind zu sein.

Wer ein solches Kind aufnimmt, nimmt mich auf

In der Bibel unterhalten sich die Jünger darüber, wer der Größte von ihnen sei, und als Jesus das mitbekommt, stellt er ihnen einfach ein Kind in die Mitte (Mk 9,33–37). Für Kinder damals wie das, das Jesus in die Mitte stellt, war das Leben kein Eis-Schlecken. Sie waren dem Oberhaupt der Familie, dem pater familias, ohne eigene Rechte untergeordnet. Im besseren Fall hatten sie selbstverständlich niedrige Dienstbotenarbeiten auszuführen: bei Tisch zu bedienen, Erwachsenen die Schuhe auszuziehen usw. Im nicht seltenen schlimmeren Fall wurden Kinder massiv ausgebeutet, nicht zuletzt auch sexuell. „Wer ein solches Kind aufnimmt, nimmt mich auf,“ sagt Jesus an derselben Stelle (Mk 9,37). Jesus fordert die Jüngerinnen und Jünger auf, Kinder in die Häuser aufzunehmen, in Orten aufzunehmen, wo ihnen kein Unrecht mehr geschieht.

Kinder haben ein Recht auf ein Leben in Würde

Auch für viele Kinder heute ist ihr Leben das Gegenteil von Eisschlecken: Angst, Gewalt, Unterdrückung, Depression, Minderwertigkeitsgefühl gehören in ihren Alltag. Kinder müssen nicht an die Macht kommen, um ein Leben in Würde zu führen. Dass sich für sie etwas ändert, beginnt nicht oben bei der Macht, sondern unten. „Mit Kinderrechten in die Zukunft“, das ist das Motto des Weltkindertages in diesem Jahr. Da wo ihre Rechte beachtet werden, wo Kinder ein Zuhause finden, da findet auch Gott ein Zuhause auf der Erde, da beginnt das Himmelreich.

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