
Fake news
Von Philipp Neri, einem humorvollen Heiligen in der Stadt Rom, gibt es folgende kleine Anekdote. Einer Frau, die ihm im Beichtstuhl bekannt hat, dass sie immer wieder schlecht über andere spricht, soll er aufgetragen haben: Geh auf den Wochenmarkt, kauf ein totes Huhn und laufe durch alle Straßen Roms und rupf dem Huhn dabei die Federn aus. Die Frau hat Philipp Neris Anweisung befolgt, und als sie zu ihm zurückkam, hat er ihr aufgetragen, dass sie jetzt alle Federn wieder aufsammeln soll. Als die Frau ihn fragte, wie das denn gehen soll, hat Philipp Neri ihr erwidert: „Siehst du, und so ist es auch bei allen Worten, mit denen du schlecht über andere redest. Sie verbreiten sich überall, und du kannst sie nicht mehr einfangen.“
Bilder verbreiten sich und entwickeln ein Eigenleben
Die Geschichte macht anschaulich, was beim Sprechen über andere geschieht: Dabei werden kommunikative Bilder von Menschen erzeugt. Diese Bilder verbreiten sich und gewinnen ein eigenes Leben, das oft nicht mehr viel mit den Menschen selber zu tun hat, sondern mehr mit gruppendynamischen oder sozialen Prozessen, in die diese Menschen eingebunden sind.
Phantombilder in sozialen Medien manipulieren Menschen
Diese Dynamik hat in der Welt der sozialen Medien eine beängstigende politische Dimension bekommen. Über Algorithmen und mit künstlicher Intelligenz können binnen Bruchteilen von Sekunden Nachrichten über Menschen oder Menschengruppen verbreitet werden, die wie lebendige Wesen als Phantombilder durch die sozialen Medien geistern, ohne, dass sie irgendwie noch mit der Realität abgeglichen werden können. So entstehen Fake News; sie beeinflussen Wahlen und demokratische Meinungsbildungsprozesse, bringen Politikerinnen und Politiker an die Macht und stürzen andere. Fake News sind nicht einfach Falschmeldungen. Sie sind ein gezieltes Propagandamittel, um einen politischen Diskurs in eine Richtung zu lenken, um Hass oder Angst vor bestimmten Personen und Personengruppen zu verbreiten. Verfassungsfeindliche politische Parteien und radikale Bewegungen nutzen die sozialen Medien mit ihren Fake News, und sie haben damit beträchtliche Erfolge. Nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene, auch Andere/andere werden so über soziale Medien manipuliert.
„Schau hin“ hilft Familien bei der Medienerziehung
Das Bundesfamilienministerium, ARD und ZDF und die AOK haben deshalb eine Internet-Initiative gegründet. Sie hilft Familien bei der Medienerziehung. “[!] Schau hin“ heißt sie, und sie hat eine hilfreiche Internetpräsenz.
Es braucht viele Menschen, um gegen Fake News anzugehen
Die Federn eines Huhns verteilt über die Straßen einer Stadt lassen sich von einem einzelnen Menschen nicht mehr einsammeln. Aber wenn alle darauf achten, ob sich in ihren Straßen Federn verteilt haben, dann besteht zumindest eine kleine Chance, eine Menge von ihnen wieder zusammen zu bekommen. Auch um gegen Fake News anzugehen, braucht es daher viele Menschen: Wenn viele Menschen Nachrichten in den sozialen Medien und im Internet kritisch überprüfen und hinterfragen, wenn sie darüber untereinander, mit Kindern und mit Jugendlichen sprechen, dann wird Fake News etwas von ihrer manipulativen Kraft genommen.