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Heilsame Inseln inmitten der Gewalt
Bild: Mazille_Hirt

Heilsame Inseln inmitten der Gewalt

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Manchmal stelle ich mir vor, wie faszinierend und heilsam es in der Nähe von Jesus gewesen sein muss. So hat es Ignatius von Loyola in einer Meditationsanleitung geschrieben: Man solle sich mit allen inneren Sinnen vorstellen, wie Jesus diejenigen, die ihm folgen, an einem „schönen, sanften und demütigen Ort“ versammelt. In einen solchen Ort kann ich mich leicht hineinspüren. Wie trostvoll wäre es, Jesus zuzuhören auf einer Wiese mit wiegendem Gras im Sonnenlicht am See von Genesaret. Sicher hat es solche Momente im Leben der Jüngerinnen und Jünger Jesu gegeben. Es tut mir aber auch heute noch gut, solche Momente im Leben Jesu gleichsam in mir aufzusaugen, um ihre heilende Wirkung zu spüren.

Jesus spricht mit Leuten auch über Massaker und Katastrophen

Es gab bei Jesus aber auch die andere Seite des menschlichen Lebens: Jesus spricht mit seinen Hörerinnen und Hörer über Massaker und Katastrophen, von denen sie erfahren hatten. Der Statthalter Pilatus hatte seine Soldaten unter friedlichen Pilgern aus Galiläa in Jerusalem ein grausames Blutbad anrichten lassen. Die Leute kommen zu Jesus und berichten ihm von dem schrecklichen Ereignis (Lk 13,1–3). Ich kann mir vorstellen: Einige der Menschen, zu denen Jesus sprach, hatten Freunde oder Verwandte, die bei diesem schrecklichen Militärmassaker plötzlich aus dem Leben gerissen worden sind.

Seitdem gehe ich anders durch den Frankfurter Hauptbahnhof

Dieses Ereignis im Leben Jesu fand ich immer rätselhaft, aber neulich fiel es mir ein. Es war heute vor vier Wochen, als ich morgens durch den Frankfurter Hauptbahnhof gegangen bin. Viele Menschen haben sich wie immer über die Gleise und Treppen gedrängt. Aber diesmal war es anders: Am Abend zuvor hatte direkt vor Gleis 9 ein Mann einen anderen mit drei Kopfschüssen getötet, unmittelbar unter den Überwachungskameras, direkt gegenüber von der Bahnhofsbuchhandlung. Videos kursierten im Internet. Mir hat die Vorstellung davon genügt: Seit dem gehe ich anders durch den Frankfurter Hauptbahnhof. Ich denke daran, dass ich durch die Plätze laufe, über die Menschen zur Buchhandlung oder in stehende Züge geflohen sind.

Wieder eine grausame Tat an einem öffentlichen Ort

Bluttaten und Anschläge haben sich in der letzten Zeit gehäuft. Nur drei Tage nach den Frankfurter Schüssen gab es das Messerattentat beim Solinger Stadtfest, wieder eine grausame Tat an einem öffentlichen Ort: Tote und Schwerverletzte, Menschen traumatisiert, das Stadtfest abgebrochen, die Innenstadt abgeriegelt.

Findet Räume, in denen Gott euch aufatmen und ausruhen lässt

In meiner Ratlosigkeit und Angst fiel mir die Schriftstelle ein, in der die Menschen Jesus über das Blutbad des Pilatus erzählen. Auch um Jesus herum gab es Gewalt, Kriege und Katastrophen, wie wir sie heute erleben. Jesus sagt den Menschen im Angesicht solcher Ereignisse: „Lernt umzudenken, ändert euer Leben, richtet euch neu nach Gott aus.“ (vgl. Lk 13,3.5) Ich verstehe das so: Schaut, dass ihr Räume in eurem Leben findet, in denen Gott euch aufatmen und ausruhen lässt. Es braucht solche heilsamen Inseln in meinem Alltag, nicht als Flucht, nicht, weil ich mich dem Alltag mit seiner gewachsenen Gewalt und Härte nicht stellen will, sondern um Kraft für meinen Alltag zu gewinnen, Kraft auch, um anderen Menschen zuzuhören, mit ihnen zu sprechen und zu diskutieren, wo und wie wir uns gegen die zunehmende Gewalt wehren und Zeichen des Friedens setzen können.

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